„Krupps Katastrophe“ heißt der Roman von Ulrich Land, eine Art Kontrafaktur oder so. Der Roman verbindet interessante Fakten mit offenen Fragen zu einer historischen Anekdote. Fragen an den Schriftsteller und Hörspielautor, der aus Köln stammt und heute in Freiburg i. Breisgau lebt.
Urs Heinz Aerni: Ihr Kriminalroman dreht sich um Friedrich Alfred Krupp, dem Industriellen und Politker aus Essen, geboren 1854, gestorben 1902. Wie kamen Sie auf ihn?
Ulrich Land: Ich bin über einen ZEIT-Artikel gestolpert, der sich dem Bismarck-Zeichner Allers widmete, weil dieser als Sündenbock und Bauernopfer für den Krupp-Skandal herhalten musste.
Aerni: Der Stoff fußt zwar auf historischem Material aber Sie schmücken gerne aus…
Land: Ich schreibe historische Ereignisse für mein Leben gern fiktional weiter. Kontrafaktur, habe ich mir sagen lassen, nennt sich diese Masche. Also dann meinetwegen: Kontrafaktur! Zumal wenn ein historischer Background so viel Ungereimtheiten enthält wie der des Aufstiegs und Falls von Friedrich Alfred Krupp. Der musste einfach mal dichterisch besungen werden.
Aerni: Und, machte es Spaß?
Land: Was mich besonders an dieser Art zu schreiben reizt, ist das Verwirr-Spiel mit Fakten und Fiktion, das, wenn es gut läuft, so weit geht, dass man als Leser irgendwann nicht mehr weiß, was hier Dichtung und was Wahrheit ist, und dass man es am Ende vielleicht gar nicht mehr wissen will. »Anwalt« für dieses literarische Verfahren ist hier im Krupp-Roman der Enkel, dem Fahrenhorst die ganze Story – angeblich, versteht sich- zutrug; im Manuskript stets eingerückt und in einer anderen Schrift gesetzt.
Aerni: Während viele andere Autorinnen und Autoren mit sich immer wiederkehrenden Ermittler-Team arbeiten, entschieden Sie sich dagegen und schicken das Geschehen in Gegenden wie Norwegen, Eifel, Island, Nordatlantik, Capri oder Ruhrgebiet. Wieso?
Land: Einer der Gründe ist, dass ich mir gern Figuren und Typen ausdenke, und es kommt mir irgendwie langweilig vor, immer denselben Gimpeln bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Außerdem kann das natürlich bei dem oben beschriebenen Verfahren nicht funktionieren, da es ja um jeweils einen anderen historischen Fall und damit um ein dezidiertes Umfeld mit ganz bestimmten Figuren geht, die ich zumeist möglichst nah an der real existierenden historischen Situation, um die es geht, anzudocken versuche. Es wird mir also auch fürderhin diesen Rechercheaufwand und die Annäherung an jeweils neue Helden kaum erspart bleiben.
Aerni: Woher kommt Ihr Faible für diese Ironie und das Morbide in Ihren Geschichten?
Land: Ich glaube, dass es zwei ganz wesentliche Triebfedern, womöglich nur diese, für das menschliche Tun und Lassen gibt: Sex und Tod. Also alles, was mit Liebe, Arbeit, Eros und Reichtum im materiellen wie ideellen Sinne zu tun hat, einerseits.
Aerni: Und anderererseits?
Land: Andererseits alles, was mit dem destruktiven Gegenteil zu tun hat. Freud, ick hör dir trapsen. Jau, ich weiß. Aber macht ja nichts. Wo er eben Recht hat, hat er eben Recht. Aus genau dieser Spannung jedenfalls schlagen die Funken in meine Feder – um’s mit poetisch-pathetischen Girlanden zu behängen.
Aerni: Sie sind Dozent für Creative Writing-Kurse, haben Sie selber mal an so einem Kurs die Schulbank gedrückt?
Land: Nein, nie. Ich hab mal in einem Crash-Kurs das Radiomachen gelernt bzw. in dreien. Aber da ging’s nicht um das literarische Schreiben. Nein nein, alles, was ich in diesen Uni-Seminaren anbiete, hab ich mir selber aus den Fingern gesogen. Sowohl inhaltlich als auch didaktisch.
Aerni: Mit anderen Worten, keine Regeln und keine Gesetze für Schreibwillige?
Land: Bis heute weiß ich nicht wirklich, wie’s letztlich funktioniert, das kreative Schreiben, und was es im Innersten zusammenhält. Wenn ich’s wüsste, würde ich vermutlich keine Seminare mehr dazu abhalten.
Aerni: Wie hat es Sie denn erwischt, die eigene Schreiblust?
Land: Wie die allermeisten anderen wahrscheinlich auch: durch die Liebe. Durch ganz viel Selbstliebe respektive durch die Eitelkeit, was ganz anderes machen zu wollen als alle anderen. Durch Liebe zu meinem Großvater, den ich nie gekannt habe, weil er lange vor meiner Geburt gestorben ist, der aber als Enfant terrible in der Familie galt und mit dem ich mich über Jahre literarisch befasst habe, obwohl von all diesen Texten nicht eine einzige Zeile je veröffentlicht wurde. Liegt alles noch in irgendwelchen Pappschachteln. Durch Liebe zu meiner damals Festen, der ich meine allererste Story gewidmet habe. Sowohl diese Liebe als auch die Geschichte sind allerdings verschollen. Irgendwie schad‘ drum.
Der Autor: Ulrich Land wurde 1956 in Köln geboren. Dort studierte er Germanistik, Geographie und Philosophie. Seit 1987 arbeitet er als freier Autor und schreibt Erzählungen, Reportagen, Essays, Kriminalromane, Theaterstücke und Lyrik. Mehr Informationen finden Sie per Anklick hier…