Impf statt Schimpf

Die journalistische Gattung «Kolumne» stammt aus dem 18. Jahrhundert und schwappte später von der britischen Pressekultur auf den ganzen Kontinenten über. In der Kolumne schreibt regelmäßig eine Autorin oder ein Autor über Beobachtungen, Einschätzungen und Schlussfolgerungen aus dem Leben des Alltags. Das kann von einer seltsamen Begegnung im Bus sein oder beim Anstehen im Bio-Laden. Das Weltgeschehen greift oft mehr als erwünscht in unseren kleinen Alltag ein. Als ein öffentlich Publizierender werde ich logischerweise auch und immer wieder mit der Frage konfrontiert, wie ich es denn mit dem Impfen habe. Deshalb hier und einmalig meine Erklärung, warum ich mich impfen ließ und wieder lassen werde:

  1. Nach eingehender Recherche bin ich zum Schluss gekommen, dass alle zugelassenen Impfstoffe die üblichen und notwendigen Forschungsstufen und Qualitätskontrollen bestanden haben und den bestmöglichen Schutz bieten.
  2. In einer Gesellschaft tragen wir die Verantwortung, dass Mitmenschen bei schweren Erkrankungen oder Unfällen die bestmögliche medizinische und therapeutische Hilfe erhalten. Dies kann –natürlich mit Ausnahmen – durch eine Impfung besser gewährleistet werden.
  3. Auch wenn aus biologischer oder evolutionstechnischer Hinsicht über den Zweck des Impfens gerne weiter diskutiert werden darf, beginnt in einem demokratischen Rechtsstaat mit all seinen Mängeln irgendwann das Vertrauen. Ich schenke den Expertinnen und Experten in Wissenschaft und Medizin das Vertrauen in ihre Arbeit und auch den Verantwortlichen in den Behörden und der Verwaltung, in der Überzeugung, dass sie versuchen, den menschenmöglich besten Job zu machen. Ansonsten müsste ich bei jedem Koch in den Topf oder der Lokführerin über die Schulter schauen.

So, nun freue ich mich wieder auf die großen Geschichten aus unserem kleinen Alltag für die nächste Kolumne.

Urs Heinz Aerni

Diese Kolumne erschien in der Zeitung BÜNDNER WOCHE

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Haben Banken noch einen Sinn?

In der Zeitung DER BUND las ich, dass die künftige US-Finanzministerin und ehemaliges Mitglieder der US-Notenbank, Janet Yellen, von Schweizer Banken eingeladen wurde, Reden zu halten.

Im März 2019 trat sie bei der Credit Suiss (CS) auf und erhielt dafür 292’500 Dollar und für eine zweite Rede im September gleich nochmals 67`500 Dollar!

Im Juni 2019 kassierte Yellen von der UBS 112’500 Dollar für einen Vortrag und für ihre neun Auftritte bei der Citigroup satte 992’000 Dollar.

Dann erfährt man durch einen Bericht im Schweizer Radio SRF und INSIDE PARADEPLATZ, dass die UBS von Ihrer Kundschaft nicht nur Schaltergebühren in Rechnung stellt, sondern nun auch noch für Bargeldbezüge am Bancomat Gebühren und für die Kundenkarte pro Jahr 10 Franken abknöpft.

Mark Twain (1835 – 1910) meinte mal folgendes: «Ein Bankier [heute Banker, Anmerkung des Autors] ist ein Mensch, der seinen Schirm verleiht, wenn die Sonne scheint, und ihn sofort zurückhaben will, wenn es zu regnen beginnt.»

Und der Philosoph und Schriftsteller, Manfred Hinrich (1926 – 2015) bilanziert: «Banken vermehren ihr Geld aus Deiner Tasche».

Kein Wunder bringen es die Banken fertig, dass der Kleinsparer und die Normalverdienerin mit dem Gedanken spielt, das Geld bar zu Hause aufzubewahren mit null Kontogebühren und Service-Kosten. Oder das Geld physisch im Schrankfach und Tresor einlagert. Die Kantonalbank Graubünden verlangt für ein Fach in der Höhe von 5, in der Breite von 30 und in der Tiefe 43 cm großes Fach 70 Franken pro Jahr. Das größte Fach ist 550 Franken pro Jahr teuer. Die Mehrwertsteuer kommt noch dazu.

Der Rest ist Rechnen.

Urs Heinz Aerni

Nützlich?

Ein Journalist in der Wochenzeitung aus Zürich, stellte einem Forscherpaar, das sich für die Wiederansiedlung des Bartgeiers in den Alpen engagiert, die Frage: »Sind die Bartgeier überhaupt nützlich?«

Jetzt mal ehrlich, gibt es Tiere oder Pflanzen, die in der Natur eine überflüssige Rolle einnehmen? Der in alter Zeit als Lämmergeier verschriener Vogel wurde durch bildungsferne Alpenvölker ausgerottet, da dieser nebst jungen Schafen auch Kinder verschleppt haben soll. Heute wurde er nicht nur wieder erfolgreich angesiedelt, sondern man weiß auch mehr über ihn. Wie alle Geier hat auch er es ausschließlich auf Aas abgesehen. Nicht nur auf Fleischreste, sondern er vertilgt blanke Knochen restlos. Diese machen 70 Prozent seiner Nahrung aus, verdaut und zersetzt von einem unempfindlichen Magen samt seinen Säuren.

Ohne innere Verletzung schluckt der Bartgeier bis 20 cm lange Knochen und sollten sie doch zu groß sein, dann lässt er sie auf Felsen fallen, bis sie splittern. Und wenn mal was daneben gehen sollte, holt er es sich im Sturzflug zurück. Falls das Angebot den Bedarf nicht decken sollte, kann er mit seiner Flugkunst Tiere zum Absturz bringen, gegen Frischfleisch hat er nämlich nichts. Er reguliert also das Steinwild und räumt erst noch bis zum letzten Knochen auf.

Und was gaben die Geier-Experten zur dem obengenannten Journalisten als Antwort? »Vielleicht hat er nur einen Nutzen in sich selbst.« Und die Kollegin meint, dass die Bartgeier als »Flagships« benutzt werden, weil sie »viele Sympathien« genössen. Aha, wegen Sympathien schützen wir heute diesen Vogel, weil er in früheren Zeiten mal unsympathisch war?

Solche Fragen und solche Antworten sind fehl am Platz, denn unsere Verantwortung gegenüber der Um- und Mitwelt mit all ihren Arten von Leben lässt sich nicht mit Argumenten der Nützlichkeit fundieren, sondern durch die Notwendigkeit einer reichen und gut funktionierenden Natur als unsere Lebensgrundlage. Stellen Sie sich vor, wenn die Natur plötzlich beginnen würde über die Nützlichkeit des Menschen nachzudenken.

Urs Heinz Aerni

Der passende Buchtipp 1: Weyrich, Hansruedi (Fotografien) / „Baumgartner, Hansjakob / Hegglin, Daniel / Lörcher, Franziska: Der Bartgeier – Seine erfolgreiche Wiederansiedlung in den Alpen“, Haupt Verlag

Der passende Buchtipp 2: „Aves – Vögel: Charakterköpfe“ mit Fotografien von Tom Krausz und Texten von Elke Heidenreich, Urs Heinz Aerni und Dietmar Schmidt. Galitz Verlag

Mit Durst und Hunger auf dem Zürichsee

Eine Kritik über die Strategie bezüglich Gäste-Service der Zürichsee Schifffahrt

Am Montagabend, 20. September 2020 bestieg ich mit Begleitung das Schiff in Meilen mit Ziel Bürkliplatz. Wir beabsichtigen 1. Klasse zu buchen, etwas zu essen und zu trinken. Dann wurde uns mitgeteilt, dass kein Restaurant an Bord in Betrieb sei. Auch keine Getränke. Und nicht mal einen Getränkeautomaten stünde zur Verfügung.

Wir standen da, schauten uns an, hatten eine Stunde Schifffahrt vor uns auf dem Zürichsee in einem der reichsten Kantone der Schweiz ohne einen einzigen Tropfen zu trinken. Mitfühlend bot ein ZSG-Mitarbeiter an, Wasser bieten zu können, falls es schwierig werden sollte.

Es ist unfassbar, wie eine kleinspartenmäßig geplante wirtschaftliche Struktur dafür sorgt, Gäste, Passagiere und Kunden zu enttäuschen.

Es ist nicht nachvollziehbar, dass nach dem 5-Franken-Zuschlag-Coup nun eine weitere Sparaktion den Ruf des Kantons Zürich und seinem touristischen Angebot beschädigt wird. Eine Aktion, die weder auf dem Neuenburgersee, auf dem Rhein, auf dem Vierwaldstättersee oder Bodensee bekannt ist oder angewandt wird. Es ist peinlich, als Zürcher einer Begleitung einen solchen Zustand erklären zu müssen.

Einmal mehr scheint eine kurzfristige Rendite wichtiger zu ein als die mittel- und langfristige Image- und Finanzplanung. Auch in Zeiten von Corona.

Eine Schifffahrt ist ein ganzheitliches Erlebnis, mit allem Drum und Dran: die Fortbewegung, saubere Toiletten, freundliche Crew, einem gut ausgebildeten Kapitän, gepflegtes Ambiente, genug Rettungsringe und eben eine Verpflegung, da ja Menschen transportiert werden sollen, nicht Holzlatten oder Altpapier beispielsweise. Wären die WC-Reinigung, das gedruckte Werbematerial und der Strom für das Licht auch an wirtschaftliche Subunternehmen ausgelagert worden, müssten wir dann mit dem Schlimmsten rechnen?

Verpflegung der Passagiere – ohne die es ja keine Schifffahrt gäbe – gehört zu einem Rundum-Angebot der ZSG. Wenn das nicht mehr der Fall ist, können die Abteilungen Akquise, Marketing und Werbung auch gleich weggespart werden.

Zu guter Letzt wird der Zürichsee zum ersten See, auf dem Touristen und Heimaturlauber nur noch rudern dürfen.

Urs Heinz Aerni

 

PS: Falls Sie es doch mal wagen sollten, ein Passagierschiff auf dem schönen Zürichsee zu besteigen, dann einfach das Survival-Set nicht vergessen.

Hier geht es zum Fahrplan der ZSG…

Fragen zu einer Abstimmungskampagne in der Schweiz

Soeben landete das „Extrablatt“ der Schweizerischen Volkspartei (SVP) in allen Briefkasten zur kommenden Abstimmung. Sie kämpfen mit allen fragwürdigen Mitteln für ihre patriotische und nationalistische Weltsicht. Jetzt für ein Gesetz gegen Einwanderung mit dem Argument, dass die Schweiz übervölkert und verbaut würde.

 

Liebe SVP,

ja es stimmt, die Schweiz wird verbaut, zubetoniert, zersiedelt und der Boden immer mehr versiegelt. Liegt es wirklich an den Menschen, die hierher gekommen sind, die die Arbeit verrichten, die wir „Schweizerinnen“ und „Schweizer“ nicht mehr machen wollen? Frühmorgens in der Straßenbahn sitzen links und rechts von mir in der Tat Menschen, die zur Frühschicht in die Fabrik, in den Küchenservice der Restaurants, zum Regaleinräumen der Großverteiler oder auf Baustellen müssen.

Mich stört es nicht, wenn ich in solchen Momenten kein Schweizerdeutsch höre, sondern dass genau diese Menschen als Ursache für die Vernichtung von natürlichen Landflächen sein sollen.

 

Liebe Funktionärinnen und Funktionäre der SVP,

habt Ihr Euch eigentlich auch schon mal Gedanken gemacht, welche Rollen die Expansionen Eurer Konzerne, die riesigen Villen, Eure Zweit- und Drittwohnung im Engadin und Tessin samt den Rasen, die Parkplätze, Garagen für die SUV’s und die Autos von den Kindern spielen, beim Landverlust Eurer einzigartigen Schweiz?

Was tut Ihr konkret zur Schonung der Ressourcen Eurer kleinen, so innig und heiß geliebten Insel?

Bin gespannt auf Eure Antworten.

 

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Diese Frage wurde via Facebook an Politkerinnen und Politiker der besagten Partei versand. Falls Antworten eintreffen sollten, wären sie hier zu lesen.

 

Der wahre Feind

Zum Gastkommentar «Religion als Feindin des Friedens?» von Giuseppe Gracia im Bündner Tagblatt vom 13. August.

«Der Atheismus hat mehr Menschen getötet als alle Religionen», sagt der Churer Bistumsangestellte Giuseppe Gracia mit dem Versuch, diese fragwürdige Aussage mit Zitaten aus der Weltliteratur zu untermauern. Folgende Fragen zu ausgesuchten Kernaussagen im Kommentar gehören debattiert:

Gracia: Kommunismus und Nationalismus forderten 50 Millionen Leben. Stimmt. War Hitler nicht Katholik? Hatte die Katholische Kirche nicht schon immer die Juden als Jesus-Mörder gebrandmarkt, allerdings flankiert von Bewegungen aus der Reformation und Freikirchen? Wurden das Zarenreich und die kommunistische Diktatur nicht getragen von der Orthodoxen Kirche? Ohne hier ausführlich auf all die anderen Diktaturen wie in Chile, Argentinien, Spanien und Ländern in Afrika eingehen zu müssen, stellt sich die Frage, wo die Kirche das Gewissen der Menschenrechte einbrachte, abgesehen von der Befreiungstheologie.

Gracia: Wie frei sind die Menschen wirklich? Wie frei durften Kinder und Jugendliche in Internaten denken und leben? Wie frei sind heute Menschen mit den Altlasten der sexuellen Übergriffe von Männern, die unter einem unbiblischen Gelübde Druck abbauten?

Gracia: Leistungsorientierte Selbstoptimierung generiert Erschöpfungszusammenbrüche, ein spirituelles Vakuum, Depressionen und «Selbstmorde». Stimmt, doch wie vielen depressionskranken Menschen, die keinen Ausweg als Suizid sahen, wurde eine Abdankungsmesse verweigert? Wie viele psychiatrische Patienten wurden in kirchlich geführten Anstalten eingesperrt statt therapiert? Warum wurde die Anerkennung von Geisteskrankheiten erst durch die Wissenschaft ermöglicht? Wie viele unschuldige Frauen wurden als Hexen verbrannt und ertränkt, auf Geheiß der Kirche? Wie viele psychisch kranke Menschen wurden durch Exorzisten und Dämonenaustreibungen gequält statt behandelt?

Gracia: Alle Staaten ohne garantierte Religionsfreiheit sind verbrecherisch. Stimmt. Sind es nicht die säkular und demokratisch gestalteten Staaten, die das bieten? Unterdrücken nicht die sogenannten «theokratisch» getrimmten Regierungen jegliche andersglaubende Lebenshaltung? Jan Hus wurde 1415 in Konstanz trotz gegenteiligem Versprechen auf Befehl der Kirche verbrannt. Verfolgen nicht Banden heute noch im religiösen Wahn sogenannte Ungläubige? Kann sich ein Muslim für eine Arbeit in der Vatikan-Stadt für einen Job bewerben?

Gracia zitiert Rosa Luxemburg: «Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden.» Dachten damals die Kreuzritter das auch, bevor sie im «Verheissenen Land» Schädel von Gross und Klein einschlugen? War das die Gesinnung der Kapitäne und Kriegsherren, die in der Neuen Welt einmarschierten, um den indigenen Völkern den Garaus zu machen, es sei denn, sie, die «Heiden», hätten bereut? Versuchten nicht die Missionare den heimischen Völkern in der Südsee ein Glaubens- und Lebenssystem aufzuzwingen, das sie nicht brauchten? Wie viel Gottessehnsucht und Scheuklappen-Weltsicht führte zu unsäglichem Elend im Jugoslawienkrieg und in Nordirland?

Giuseppe Gracia arbeitet mit Sprache, Text und Denken, und wieso fällt es dem Verfasser schwer, seine Weltsicht nicht als einlullende Betriebsblindheit zu interpretieren, hegend jedoch mit der stillen Hoffnung, dass er im gemütlich eingerichteten Glaubens-Zimmer mal alle vier Wände umstossen wird, um sich neuem frischen Wind auszusetzen.

Urs Heinz Aerni

Dieser Beitrag ist auch im BÜNDNER TAGBLATT und in der BÜNDNER WOCHE erschienen.

Buchtipp:

Der Mann hinter INSIDE PARADEPLATZ: Lukas Hässig

Inside Paradeplatz wird abonniert und von Bankern gefürchtet. Der Journalist Lukas Hässig schrieb für verschiedene Zeitungen und Wirtschaftsmedien sowie Bücher über die UBS und das Bankgeheimnis. Seit 2011 betreibt er den News-Blog und sorgte schon mit machen Enthüllungen für viel Unruhe in der Finanzwelt.

Für den Kanal DIE REDAKTION stellte ich Lukas Hässig in Zürich Fragen über seine Arbeit, seine Herausforderungen und seinen Umgang mit Kritik.

Für uns da?

Neulich wollte ich einem Freund in Österreich ein Buch als Geschenk schicken. Am Postschalter verlangte ich nach dem grünen Zollaufkleber. Den gebe es nicht mehr, man müsse sich jetzt im Internet bei der Post einloggen und ein Zollformular ausfüllen mit allen Details wie Inhalt und Gewicht. Dann könne das Paket verschickt werden. Ansonsten müsste ich am Schalter eine zusätzliche Gebühr entrichten. Statt Service also Homeoffice für den Kunden.

Dann lag kurz darauf eine saftige Rechnung der Ausgleichskasse (in der Schweiz obligatorische Altersvorsorge für Freischaffende, sogenannte 1. Säule) im Briefkasten und setzte mit einem fetten Verzugszins-Betrag den buchhalterischen Höhepunkt. Es ging dabei noch um Steuerrechnungen aus früheren Jahren, die durch irgendwelche Verzögerungen verspätet bearbeitet wurden. Die damaligen Steuererklärungen wurden von meiner damit beauftragten Expertin fristgerecht eingereicht. Ich rief an und man erklärte mir, dass ich als Freischaffender verpflichtet sei, die definitive Steuerrechnung der Ausgleichskasse zu melden, damit die AHV-Beiträge berechnet werden können. Das stünde irgendwo auch ge- schrieben.

Während die Krankenkassen im Kanton Zürich automatisch gebührentechnisch auf die Steuerrechnungen reagieren, muss die Ausgleichskasse aktiv informiert werden. Nach dem coronabedingten Totalausfall von dreieinhalb Monatseinkommen kam die Formularschlacht, die das Wirtschaftsamt und die besagte Ausgleichskasse verlangten. Nach gewissenhaftem Ausfüllen, was nicht wenig an Arbeitsstunden kostete, kam von der Ausgleichskasse etwas Geld, das einem durchschnittlichen Monatsumsatz entsprach. Vom Wirtschaftsamt Zürich hieß es später am Telefon, dass keine Unterstützung möglich sei, da ich als Freischaffender ohne Angestellte, Firmenauto, Geschäftslokal mit Sortiment und Miete lediglich ein kleines Risiko für die Gesellschaft sei, falls ich finanziell «hops» ginge. Zugegeben: Salopp von mir zusammengefasst.

«Wir sind für Euch da» sagte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga an der Medienkonferenz zu Beginn der Covid-19- Krise.

Hmm – wie könnte sie das denn gemeint haben?

Urs Heinz Aerni

Ist auch in der Zeitung Bündner Woche  erschienen

Kulturtipp für Büchermenschen in Graubünden…

Eine falsche Frage zum Bartgeier

Ein Journalist in der Wochenzeitung aus Zürich, stellte an ein Forscherpaar, das sich mit einer Stiftung für die Wiederansiedlung des Bartgeiers in den Alpen einsetzen, die Frage: «Sind die Bartgeier überhaupt nützlich?»

Jetzt mal ehrlich, gibt es Tiere oder Pflanzen, die im ökologischen System eine überflüssige Rolle einnehmen? Der in alter Zeit als Lämmergeier verschriener Vogel wurde durch bildungsferne Alpenvölker ausgerottet, da dieser nebst jungen Schafen auch Kinder verschleppt haben soll. Heute wurde er nicht nur wieder erfolgreich angesiedelt, sondern man weiß auch mehr über ihn. Wie alle Geier hat auch er es ausschließlich auf Aas abgesehen, aber nicht nur auf Fleischresten und Innereien, sondern der Bartgeier vertilgt blanke Knochen restlos. 70 Prozent seiner Nahrung machen sogar Knochen und das Knochenmark aus, die von einem unempfindlichen Magen samt hoch konzentrierten Säuren zersetzt werden. Ohne innere Verletzung schluckt der Bartgeier bis 20 cm lange Knochen und sollten sie doch zu groß sein, dann lässt er sie auf Felsen fallen, damit sie zersplittern. Oft sind es ausgesuchte Felsplatten und wenn mal was daneben gehen sollte, holt er es sich durch Sturzflug zurück. Falls das Angebot den Bedarf nicht decken sollte, dann konnte auch schon mal beobachtet werden, dass er durch seine Flugkunst Beutetiere zum Absturz bringen kann, gegen Fleisch hat er ja eigentlich nichts. Er reguliert also das Steinwild und räumt erst noch bis zum letzten Knochen auf.

Und was gaben die Geier-Experten zur Antwort? «Vielleicht hat er nur einen Nutzen in sich selbst. Während andere Geier das Aas entsorgen und damit auch helfen, Krankheiten zu vermeiden, bietet der Bartgeier keinen vergleichbaren Service an.» Und die Kollegin meint, dass die Bartgeier als «Flagships» benutzt werden, weil er «viele Sympathien» genössen.

Solche Antworten öffnen Tor und Tür zum Abschuss von Tieren, deren „Nützlichkeit“ in Frage gestellt würden und liefern dem Artenschutz damit einen Bärendienst.

Urs Heinz Aerni

 

Surftipps:

Infos und schöne Bilder zum Bartgeier von Michael Gerber

Alpenzoo Innsbruck über den Bartgeier

WWF über den Bartgeier

Hier geht es zum oben erwähnten Interview in der Wochenzeitung WOZ

 

Zweihänder

Am 30. April verschüttete ich Kaffee, als ich in der «Südostschweiz» Seite 12 aufschlug. In einem Leserbrief verglich Assunta Collenberg-Deplazes aus Lumbrein den WWF mit den alten Römern und die heutigen Bauern mit den Sklaven in der Arena, umringt von Löwen – sprich heute Wölfen. Liebe Frau Collenberg-Deplazes, erlauben Sie mir den Versuch, hier aufzuzeigen, dass Ihr Vergleich doch recht deplatziert ist.

Die alten Römer überrannten Völker, zerstörten für Millionen von Menschen ein eigenständiges Leben, Freiheit, die Existenz. Bis jetzt – auch nach intensiven Recherchen – kann ein ähnliches Gebaren weder dem WWF noch ähnlichen Organisationen wie Greenpeace, Pro Natura oder BirdLife angelastet werden.

Zu den Löwen. Die bedauernswerten Geschöpfe verloren damals durch Jagd, Fang und einer nicht artgerechten Haltung ihre Würde. Das macht aggressiv und hungrig. Während die Löwen in die Städte transportiert wurden, lebten hier bei uns die Wölfe, bevor wir Menschen «Hä?» sagen konnten. Wenn wir bei diesem Bild bleiben möchten, kommen wir nicht umhin, zu konstatieren, dass es genau umgekehrt wäre. Die Menschen (also die Römer) überrannten Täler und Wälder, verbauten und holzten, verdrängten und jagten, erschossen und vergifteten einen Großteil der Lebewesen, die da waren. Mit dem Effekt des schnellsten Artensterbens, das der blaue Planet je erlebt hatte. Deplatziert ist auch der Vergleich mit den heutigen Bauern und Hirten mit den damaligen Sklaven. Mir ist nicht bekannt, dass die bemitleidenswerten Menschen in der Arena Mittel zur Verteidigung gehabt hätten wie: Rechtliche Massnahmen, Kompensationszahlungen, Schutzmaßnahmen (Herdenhunde, Zäune etc) und die Chance, vor der Menge, also der Öffentlichkeit, sich zu äußern, Hilfen zu beantragen und eine Debatte anzustoßen.

Die Frage, wie wir mit den Lebewesen, die vor uns in den Alpen ihre Daseinsberechtigung hatten, umgehen sollen, muss gemeinsam am runden Tisch diskutiert werden. Jedoch der besagte Leserbrief gleicht einem Zweihänder aus der Römerzeit.

Urs Heinz Aerni

Ist zuerst in der Zeitung BÜNDNER WOCHE erschienen.