„Zürich ist begeisterungsfähig“

Der Kabarettist Mathias Richling startet seine Tour mit einem neuen Programm Zürich und gibt Auskunft über sein Verhältnis zur Stadt.

Und wir verlosen zwei Gratis-Tickets für die Premiere am 9. September 2022 im Bernhard Theater Zürich (siehe unten).

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Urs Heinz Aerni: Herr Richling, Sie feiern die Premiere Ihres neuen Programms in Zürich. Wenn man ein Verhältnis zu einer Stadt haben kann, wie würden Sie Ihres Zürich gegenüber beschreiben?

Mathias Richling: Ich feiere die Uraufführung meines neuen Programmes mit Begeisterung in Zürich, weil die Zuschauer in Zürich trotz oder gerade wegen aller nachgesagten Reserviertheit enorm begeisterungsfähig sind. Und so ist auch mein Verhältnis zur Stadt herzlich-distanziert.  Man geht durch die Straßen. Die Menschen, soweit sie Zürcher sind, schauen einen freundlich an. Und grüßt man sie dann, sind sie überrascht, dass sie einen erkannt haben.

Aerni: Was würden Sie einer Bekannten in Berlin Zürich beschreiben, ohne den See und die Bahnhofstraße zu erwähnen?

Richling: Der Vergleich mit Berlin ist ideal wegen der enormen Gegensätzlichkeit: Denn im Vergleich mit der bundesdeutschen Hauptstadt ist Zürich nicht offensiv, nicht extrovertiert, nicht überschäumend, sondern diskret, zurückhaltend und man wird in Zürich nicht behelligt mit den Unbillen anderer Leben.

Aerni: Hier in der Schweiz beobachtet man genau, was im nördlichen Nachbarland geschieht. Umgekehrt scheint das nicht der Fall zu sein. Warum?

Richling: Die Schweizer beobachten Deutschland und seine Politik schon deswegen um so ausführlicher, weil stets eine gewisse Häme mitschwingt über unsere Unfähigkeiten. Und außerdem lenkt diese Häme ab von den Qualen über die Politik im eigenen Land.

Aerni: … eine Art Ablenkung…?

Richling: Das Interesse ist also vor allem Selbstheilung. Man steht einfach besser da, wenn man sich vergleicht mit deutscher Politik. Warum dies umgekehrt nicht der Fall ist, mag mit einer gewissen deutschen Überheblichkeit zu tun haben. Es scheint sich für uns nicht zu lohnen. Schade.

Aerni: Ihr aktuelles Programm karikiert mit viel satirischem Biss das Gebaren der Mächtigen in Deutschland und der Welt drum herum. Wieviel Hoffnung sehen Sie als kritischer Geist für unsere Gesellschaft, so ganz unter uns gefragt?

Richling: Wenig. Denn die Erfahrung zeigt – ob beim Klima, bei Corona, bei der Wirtschaft oder beim Krieg – , dass der Mensch, auch der deutsche, erst neigt zu Menschlichkeit, zu Rücksicht, zu Nachsicht, zu Umsicht, wenn er selbst wirklich und existentiell in Not gerät.

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Premiere «Mathias Richling#2023» am 9. September 2022 um 20 Uhr im Bernhard Theater Zürich

Für alle, die mitmachen an der Verlosung: Bitte einfach eine Mail mit Name und Anschrift schicken an: ursaerni@web.de. Viel Glück!

www.bernhard-theater.ch/spielplan/mathias-richling

So oft und gerne der schwäbische Menschen-Beobachter, Politik-Deuter und sarkastische Wahr-Sager Mathias Richling im Fernsehen zu sehen ist: am liebsten kommuniziert er doch direkt und live mit seinem Publikum, was durch pandemische Umstände in den letzten Jahren nicht leicht oder unmöglich war. Richling, der von vielen Kritikern als der beste Parodist der deutschen Kabarett-Szene gefeiert wird, bringt seine jüngsten Beobachtungen wie immer in literarisch anspruchsvoller Form (über seine Texte gibt es bereits Magister-und Doktorarbeiten) und kaum jemand aus Politik und Show bleibt verschont.

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Politische Information oder eher…?

In allen Briefkästen lag das «Extrablatt» der Schweizerischen Volkspartei, kurz SVP. Die Schlagzeilen und die Tonart in diesem Printprodukt schlagen jeden Versuch, nur ein bisschen Verständnis für diese Partei aufbringen zu wollen, endgültig in den Wind. Ein paar Beispiele:

Klimawandel: «Links-grüne Ideologen versuchen, diese Situation schamlos auszunutzen, um ihre untauglichen Rezepte salonfähig zu machen.»

Als parteiloser Journalist bin ich für ein Verbot von Gift in der Landwirtschaft, den Umverlad von LKWs auf die Schiene durch die Alpen und ein Stopp der Zersiedelung von noch grünen Landschaften. Was soll daran ein untaugliches Rezept sein?

Und der Parteipräsident Albert Rösti schreibt: «Auf die schrille Panikmache soll der sozialistische Umbau unserer Gesellschaft folgen.» Oder: «Hinter dem grünen Mäntelchen verstecken sich roter Zwang und knallharte Machtpolitik.»

Wie viel Macht ballt sich hinter den Konzernen, denen Expansion über alles geht, lieber Herr Rösti?

«Schon in der Bibel drohten Propheten mit dem Untergang der Menschheit. Warum? Man kann über verängstigte Menschen Macht ausüben.» (Peter Keller, SVP Hergiswil). Wir wissen nicht, ob Herr Keller an die Bibel und den dazugehörenden Gott glaubt, wenn ja, dann hat er ein Problem, denn die Propheten wurden ja von Gott gesandt um sein Volk zu warnen…

Im Versuch, moderat zu bleiben, darf durchaus erwähnt werden, dass die Beiträge von Nadja Pieren aus Heimiswil (BE) oder Walter Wobmann aus Gretzenbach (SO) oder Marcel Dettling aus Oberiberg (SZ) oder Andreas Aebi aus Alchensdorf (BE) Anlass geben, um am runden Tisch weiter zu diskutieren. Nebenbei sei vermerkt, dass nirgends ein Text aus einer Großstadt zu lesen ist.

Wenn aber Roger Köppel meint, es gäbe «keinen wissenschaftlichen Beweis», dass «der Mensch einen maßgeblichen Einfluss aufs Klima» habe, und dass hauptsächlich die Zuwanderung die Umwelt belaste aber unseren Verbrauch an Wohnbedarf, die Swimmingpools, die im Ausland mit Billiglöhnen produzierten Produkte mit Schweizer Label und das zunehmende Geschäft mit der Fliegerei nirgends erwähnt, degradiert er dieses «Extrablatt» als oberflächliches Werbemittel, das eigentlich nicht in den Briefkästen landen durfte auf denen ein Reklameverbot klebt. Im Impressum steht: «Bei dieser Zeitung handelt es sich weder um Werbung noch um Reklame, sondern um eine politische Information. Darum darf sie auch in jene Briefkästen verteilt werden, auf denen sich ein Stopp-Kleber befindet.»

Wenn jedoch ein namenloser Maturand in diesem Blatt folgendes sagt: «Ich sehe aus wie ein Hippie. Auch bei Regen und Schnee laufe ich mit Sandalen und kurzen Hosen herum. Für meine Maturaarbeit entwickle ich eine Schneekanone für den Garten. Und ich wähle SVP, weil sie sich für eine starke und eigenständige Schweiz einsetzt», dann ist das keine politische Information, sondern Kabarett.

Urs Heinz Aerni

ON/OFF

In dem aktuellen abendfüllenden Kabarett-Programm zeigen die beiden Künstler fulminant wie der Digitalisierungswahn uns umzingelt, vereinnahmt und die eigene Kontrolle entgleiten lässt. Bevor die Lachtränen vertrocknen, hüpft uns die Frage wie ein Pop-up-Fenster vor die Augen: „Wie können wir das stoppen?“ Besuchen Sie das Programm von Lapsus aber vergessen Sie Ihr Handy nicht…

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