Ein Journalist in der Wochenzeitung aus Zürich, stellte einem Forscherpaar, das sich für die Wiederansiedlung des Bartgeiers in den Alpen engagiert, die Frage: »Sind die Bartgeier überhaupt nützlich?«
Jetzt mal ehrlich, gibt es Tiere oder Pflanzen, die in der Natur eine überflüssige Rolle einnehmen? Der in alter Zeit als Lämmergeier verschriener Vogel wurde durch bildungsferne Alpenvölker ausgerottet, da dieser nebst jungen Schafen auch Kinder verschleppt haben soll. Heute wurde er nicht nur wieder erfolgreich angesiedelt, sondern man weiß auch mehr über ihn. Wie alle Geier hat auch er es ausschließlich auf Aas abgesehen. Nicht nur auf Fleischreste, sondern er vertilgt blanke Knochen restlos. Diese machen 70 Prozent seiner Nahrung aus, verdaut und zersetzt von einem unempfindlichen Magen samt seinen Säuren.
Ohne innere Verletzung schluckt der Bartgeier bis 20 cm lange Knochen und sollten sie doch zu groß sein, dann lässt er sie auf Felsen fallen, bis sie splittern. Und wenn mal was daneben gehen sollte, holt er es sich im Sturzflug zurück. Falls das Angebot den Bedarf nicht decken sollte, kann er mit seiner Flugkunst Tiere zum Absturz bringen, gegen Frischfleisch hat er nämlich nichts. Er reguliert also das Steinwild und räumt erst noch bis zum letzten Knochen auf.
Und was gaben die Geier-Experten zur dem obengenannten Journalisten als Antwort? »Vielleicht hat er nur einen Nutzen in sich selbst.« Und die Kollegin meint, dass die Bartgeier als »Flagships« benutzt werden, weil sie »viele Sympathien« genössen. Aha, wegen Sympathien schützen wir heute diesen Vogel, weil er in früheren Zeiten mal unsympathisch war?
Solche Fragen und solche Antworten sind fehl am Platz, denn unsere Verantwortung gegenüber der Um- und Mitwelt mit all ihren Arten von Leben lässt sich nicht mit Argumenten der Nützlichkeit fundieren, sondern durch die Notwendigkeit einer reichen und gut funktionierenden Natur als unsere Lebensgrundlage. Stellen Sie sich vor, wenn die Natur plötzlich beginnen würde über die Nützlichkeit des Menschen nachzudenken.
Urs Heinz Aerni