Echte Ressourcen

Die Schweiz holt sich, was sie braucht. Öl und Gas wird aus dem Osten und Norden bestellt und durch Pipelines und Rheinschiffe ins Land geschafft, für gutes Geld. Diamanten und Edle Erden finden wir nicht in unseren Bergen, dafür im Kongo oder Südafrika. Es wird investiert, für Traumumsätze in Boutiquen und auf dem digitalen Markt. Die feine Schweizer Schokolade gibt’s bekanntlich nur durch importierten Kakao aus Übersee. Das Beste vom Besten kaufen wir uns in der ganzen Welt zusammen. Touristen aus dem Fernen Osten werden bussweise durchs Land geschleust, mit Stopps an Shops.

Clever die Schweiz! Da haben wir quasi null Bodenschätze und sind im Club der reichsten Länder. Schlau sind sie, die Eidgenossinnen und Eidgenossen, helle auf der Platte, wie man so sagt. Kreativ, fantasievoll und raffinierter Unternehmergeist ermöglichen Geldsegen durch komplexe Anlagegeschäfte, Finanzprodukte, chemische Zauberstücke und tickende Accessoires an den Handgelenken. Alles geboren und entwickelt unter der Schädeldecke.

Kurz: gut gebildete, geübte, ja trainierte Gehirne zwischen Rhein und Ticino, zwischen Boden- und Genfersee. Das Wissen ist also das Lebenselixier eines boomenden Globalplayers, entstanden in einem Bergland, in dem einst die Hellebarde und der Melkschemel die wichtigsten Werkzeuge waren.

Sie werden nun sagen: „Endlich schreibt der Aerni mal was Positives und lässt das Meckern.“ Mitnichten, liebe Leserin und lieber Leser, denn jetzt hole ich wortmächtig aus, gegen den Kostendruck an Schulen, den Verzicht auf Geisteswissenschaften an Technischen Unis, die Bürokratisierung im Schulwesen, ungelöste Herausforderungen in der Schulreform… doch, leider ist mein Kolumnenplatz soeben verschrieben…

Urs Heinz Aerni

 

 

Erschienen in der Zeitung Bündner Woche

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„Nichts geht auf die Schnelle“

Die Weinbauern Andreas Meier und Markus Utiger lagerten im Tessiner Gestein Weine aus dem Aargau und dem Burgenland. Im Gespräch geben die beiden über die Vorteile der Magnumgröße, Lager- und Marketing-Trends und ihre Haltung zum Zeitgeist Auskunft.

Urs Heinz Aerni: Andreas Meier und Markus Utiger, Sie haben sich zusammengetan und unter dem Titel „Passion & Zeit“ in einem Gebirgsfelsen Weine eingelagert, Magnum-Flaschen. Wieso eigentlich diese Grösse?

Markus Utiger: Das Verhältnis zwischen dem Volumen Wein und den Anteilen Gas und Sauerstoff CO2 ist für eine langfristige Reifung sehr gut. Dazu kommt noch der längere und engere Flaschenhals, der dem Korken eine längere Ausdehnung ermöglicht.

Aerni: Das hiesse eigentlich, dass jeder Wein in eine Magnumflassche abgefüllt werden müsste?

Andreas Meier: Naja, als Pierre Pérignon [1638 – 1715 Anmerk. d. Red.] die 7,5 dl Flasche erfand, meinte er, dass sei das richtige Mass für einen Mann zum Essen (lacht).

Utiger: Die Magnumflasche wäre also für zwei Männer…

Aerni: Wie kam es zur Idee, gemeinsam Flaschen in einen Felsen einzulagern?

Meier: Wir sind Weinfreunde und Co-Präsidenten der Zurzibieter Weinfreundesetkion. Unsere Wege kreuzten sich regelmässig, so auch an Konferenzen, wo wir Kolleginnen und Kollegen aus der Bündner Herrschaft und dem Unterengadin trafen, an denen die topografischen Höhen für Lagerungen immer wieder ein Thema waren. Irgendwann kam Markus mit der Idee auf mich zu, es in einem Keller im Tessiner Blenio-Tal auf 1300 Meter über Meer mit einer Lagerung zu versuchen.

Aerni: Hand aufs Herz; ein Marketing-Gag?

Utiger: (lacht) Nein, wir waren zusammen in der Champagne und entwickelten diese Idee gemeinsam.

Meier: Ja, das war ein Champagner Marathon, weisst Du noch?

Utiger: (nickt und lacht)

Meier: Das war die Story; ich dachte, es handle sich um eine Art lange Degustationsmeile, aber es war tatsächlich ein Marathon! Ich startete in normaler Kleidung in Halbschuhen … wir haben das dann abgekürzt.

Utiger: Die hatten mitten im Wald in Abständen Tische aufgestellt, auf denen viele Gläser zum Degustieren standen…

Aerni: Schon die Geburt der Idee scheint eine Geschichte für sich zu sein. Aber nun doch nochmals die Frage zur Philosophie der gemeinsamen Fels-Lagerung…

Utiger: Die Idee der Geschichte kommt von der Affinage, eigentlich ein Begriff aus der Käse-Herstellung. Auf der Alp produziert der Käser seinen Käse und gibt ihn dem Affineur, dem Händler, der dann den Käse bei sich fertig lagert bis er einen gewissen und für den Verkauf perfekten Reifepunkt erreicht hat. Im Weinbusiness wird der Wein im Keller produziert, er wird abgefüllt und verkauft mit der Erklärung an die Kundschaft, dass er noch fünf oder zehn Jahre reifen kann, dann ist die Sache erledigt. Doch hier setzen wir ein, und gehen einen Schritt weiter mit dem Motto: Jeder bringt seinen Wein und affiniert ihn zusätzlich. Die Käse-Welt macht es uns vor: So wie der Käse ein Naturprodukt ist, ist es der Wein. Er lagert und reift drei Jahre in einem Felsen. Es herrschten Temperaturen von 5 Grad im Winter bis 17 Grad im Sommer und die höchste Luftfeuchtigkeit lag bei 99,9 Prozent im Frühling…

Meier: Das Wichtigste dabei sind die Temperaturschwankungen. Bei technischen Kühlanlagen gibt es die Hystrese, die Kühlung schaltet ein und aus und somit ergeben sich viele Temperaturpeaks. Eine einzige, gleichmässige Temperaturkurve ist besser.

Aerni: Mit anderen Worten, diese Art der Einlagerung ist also sinnvoller als die herkömmliche Kühlung?

Meier: Auf jeden Fall!

Utiger: Es gibt Studien, die das beweisen. Bei einer hat man Weine auf einem Kreuzfahrtschiff mit Kurs über die Weltmeere gelagert und ihn nachher mit den anderen Flaschen derselben Sorte und aus der gleichen Ernte verglichen. Resultat: die komplexeren, die höher bewerteten Weine stammten vom Schiff. Fazit: Bewegung und Temperaturschwankungen tun dem Wein gut.

Aerni: Könnte das heissen, dass die ganze Weinindustrie mit den ausgetüftelten Lager- und Kühltechniken ein wenig Zirkus betreibt?

Utiger: Nein, das nicht. Die Schwankungen dürfen natürlich auch nicht zu extrem ausfallen, nicht unter 5 oder über 25 Grad sein…

Meier: … auch die kleinen Bewegungen zwischen 12 und 13 Grad jeden Tag sind nicht ideal. Ein normaler Jahresrhythmus in einer gemässigten Umgebung ist das Beste.

Aerni: Aber grundsätzlich könnte der Wein ein bisschen mehr Natur vertragen oder der Natur anvertraut werden?

Meier: Die ideale Reifung ist eine Polymerisation von Phenol und Ethanol. Es braucht etwas Sauerstoff damit das Ethanol zum Ethanal wird, zum Kleber, der dieses Phenol zusammenhält. Und wenn das in einem gemässigten Milieu geschieht, ergibt sich das schöne langkettige, gute Gerbstoff-Molekül. Langkettige Gerbstoffe empfinden wir als vollmundig, sie reizen unsere Geschmackspapillen nicht, sondern der Wein erhält einen Schmelz und bleibt gleichzeitig jugendlich rund. Durch die Polymerisation gibt es eine Art Oxidationsschutz. Und in der Grösse dieser Magnumflassche mit diesem Verschluss haben wir etwa 8 Milligramm Sauserstoffzutrag oder weniger im besten Fall.

Aerni: Zurück zu Ihrer Felslagerung. Hat das vielleicht auch mit einer Sehnsucht zurück zur Natur zu tun? So als Kontrastprogramm zu Laboren, Messgeräten und Stahltanks? Etwas zurück zur archaischen Erde?

Meier: Ja, das Archaische haben wir schon etwas gespürt, als wir alles mit Muskelkraft aus dem Berg holen mussten (lacht).

Utiger: Und ich habe ihn mit meinen Kindern in den Felsen verfrachtet…

Aerni: Ist die Rückkehr zum Ursprünglichen eine Motivation?

Utiger: Ja, ich glaube, wir sind eine Branche, die sehr naturverbunden ist. Ich erlebe das mit Kunden, mit denen ich in die Reben oder in den Wald gehe und die sind immer ganz entzückt, atmen durch. Wir sind naturverbunden, es ist keine Rückkehr, sondern alles entsteht ja in der Natur. Andererseits ist die Technik so weit fortgeschritten, dass man heute theoretisch bereits den Wein aus dem gleichen Erntejahr trinken könnte. Doch wird dem Wein Zeit gegeben, dann entwickelt er sich von alleine richtig. Heutzutage braucht es Überwindung, nichts zu machen.

Aerni: Was macht der Zeitgeist mit seinem Lebensrhythmus mit Ihnen beiden?

Meier: Wir glauben an den Lagewein, also an den Flecken, wo er wächst und herkommt. Diese Haltung verbindet auch unsere Freundschaft.

Aerni: Wir reden jetzt von Lagewein, nicht vom Lagerwein…

Meier: Genau, Wein aus Trauben einer ganz speziellen Herkunft, das ist charakterbestimmend. Die Suche nach diesem Lagecharakter, nach diesem ureigenen Charakter, das ist das, was uns verbindet und uns fasziniert.

Aerni: Wie sehen Sie generell die Weinszene? Gibt es Modetrends innerhalb der Branche? Vielleicht auch im Genuss- und Konsumverhalten?

Utiger: Naja, in den letzten Jahren hat der Begriff „Naturwein“ immer wieder kursiert. Jemand, der nach Naturwein sucht, der schwächt alles ab, was nicht „Naturwein“ sei.

Aerni: Das müssen Sie mir näher erklären…

Utiger: Naturwein ist nicht reglementiert. Diejenigen, die Naturwein propagieren, sagen, sie machten nichts daran. Sie behaupten, die Trauben nur zu ernten und zu maischen und sonst nichts. Für mich grenzt das an Arbeitsverweigerung. Was ist Wein? Wein ist ein Kulturprodukt. Und was ist Kultur? Das ist immer etwas, was Menschen beeinflussen und prägen.

Aerni: Der Mensch bearbeitet die Natur um eben etwas aus ihr herauszuholen.

Utiger: Er beeinflusst sie, ja. Was wir beim Wein machen, ist den Gärungs- und Fermentierungsprozess in dem Moment zu unterbrechen, an dem wir ihn haben wollen. Wenn wir das nicht machen, wird er zu Essig, was wir ja nicht wollen. Wenn Sie eine Flasche von mir trinken und sie gefällt Ihnen, dann sollte die nächste Flasche die gleiche Qualität aufweisen und Sie sollten den Wein wiedererkennen können. Diese Kontinuität geht nicht ohne Raffinerie.

Meier: Mit „Naturwein“ wird versucht, marketingtechnisch zu differenzieren, zum Teil wird hier vieles an den Haaren herbeigezogen, mit dem Stand des Mondes, von der Venus und ich weiss nicht mit noch was allem…

Aerni: Aber es klingt ja noch schön…

Meier: Ja, das tut es, aber diese Differenzierungen sind manchmal Mumpiz. Unsere Kunst ist unser Wissen, langjähriges und jahrhundertaltes Wissen. Ich erinnere mich an ein altes Buch über das Weinmachen aus dem Jahre 1828 in meiner Bibliothek. Wir müssen nicht so tun, als wären wir die ersten Menschen, die sich auskennen; die Weinkultur besteht aus 8000 Jahren. Die Rebe ist ein Kulturgut und würde ohne den Menschen nicht existieren, sie würde im Wald nicht überleben. Die Rebe gilt es zu setzen, zu hegen und pflegen, ihr muss eine Form gegeben werden, durch Schneiden und Binden, man muss zu ihr schauen…

Aerni: … und jeder noch einen Namen geben?

Meier: Fast. Bei uns im Betrieb machen wir einen sogenannten sanften Rebschnitt – das klingt jetzt sehr zärtlich, ist es auch, fast ein Kuscheln mit der Pflanze. Man schaut sie an und sagt, du bist jetzt etwas stärker, ich gebe dir ein Äuglein mehr, du bist jetzt ein Dünneres, ein Schwächeres, so viel verträgst du nicht, ich muss dich etwas kürzer schneiden. So wird jeder Rebe eine Leistung abverlangt, die man ihr man ihr individuell zutraut.

Aerni: Frutarier schneiden die Reben nicht, um ihnen nicht weh zu tun…

Meier: Reben schneiden ist etwas Wunderschönes, es gibt Wettbewerbe zum Rebschnitt, da wird bewertet, wie die Rebe beurteilt wird oder wie verhindert wird, dass der Saftstrom nicht blockiert wird. Rebbauern sind unspektakuläre Menschen.

Aerni: … die viel Empathie für die Pflanzen haben müssen.

Meier: Sie lieben ihren Beruf, das sieht man eben in der Stadt nicht. Das sind meist ganz normale aber erdverbundene Menschen, aber sie sind nicht diejenigen, die das als Marketing mit Slogans verkaufen.

Utiger: Im Burgenland setzen wir zum Beispiel zwei Reben ins gleiche Loch, immer pärchenweise. Jede Rebe erhält einen „Strecker“, einen links und einen rechts. In den sehr trockenen Sommern muss die Rebe tief wurzeln können, genug Stabilität haben um das Wasser finden zu können. Das Verhältnis zwischen den ober- und unterirdischen Teile der Pflanze ist massgebend für die Regulierung an heissen Tagen.

Aerni: Wieso das pärchenweise Pflanzen?

Utiger: Es entsteht zu Beginn ein Verhältnis der Konkurrenz und fördert die Suche nach Nährstoffen und Wasser somit die Tiefe des Wurzelns.

Aerni: Kommen wir zum Begriff „Naturweine“ zurück…

Utiger: Das sind absolute Naturweine, wir haben noch nie was anderes gemacht. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir mit der Natur arbeiten.

Meier: Der Begriff wird als Marketingargument missbraucht.

Utiger: Nichts an der Rebe zu machen gewährt keine Qualität des Weines.

Meier: Der Weinmarkt in der Schweiz gleicht gelegentlich einem Teppichbasar; überall werden unglaubwürdige Rabatte gewährt. Der Weinmarkt ist offen gegenüber dem Weltmarkt, anders als die meisten Produkte unserer Primärsektors. Dabei gibt es kein Land auf der Welt, welches den Primärsektor nicht staatlich reguliert, vom Bergbau bis zur Landwirtschaft durch den üblichen Grenzschutz.

Aerni: Kommen wir nochmals auf Eure gemeinsame Lagerung im Tessiner Gestein. Die beiden Weine stammen aus dem schweizerischen Aargau und aus dem österreichischen Burgenland. Was kann jeder vom Nachbarn lernen?

Utiger: (lacht), lernen vom Aargauer Wein?

Meier: Das sind zwei starke Charakter, die lernen nichts voneinander.

Utiger: Die Weine sind selbst sehr differenziert aber ich habe von Andreas in den Gesprächen schon so viel gelernt, dass ich teilweise da und dort den Wein anpasste.

Aerni: Anders gefragt, der Österreicher Wein hat sein Imageproblem hinter sich, der Aargauer kämpft damit?

Meier: Nein, er hat gar kein Image, das ist das Traurige.

Aerni: Woran liegt das?

Utiger: Die Österreicher Weinszene wurde durch den Glykolwein-Skandal vor 30 Jahren praktisch zerstört, von dem sie sich heute wieder emanzipiert hat. In Italien gab es damals sogar Todesfälle. Während in Italien versucht wurde, alles unter den Teppich zu kehren, war es in Österreich ein öffentliches Thema.

Aerni: Was zum Umkehrschub wurde.

Utiger: Richtig, man musste reagieren. Es wurden darauf hin strenge Weingesetze erlassen, später kam die Förderung durch die EU dazu, damit zu guten Konditionen exportiert werden konnte. Und, es ist eine neue Winzer-Generation hinzugekommen, die sich sagte: „Wir machen das jetzt anders!“ In dieser Zeit tranken wir in der Schweiz Übersee-Wein, Syrah aus Australien, Kalifornien, Chile und Argentinien. Dann kam das Bewusstsein und damit die Frage, warum Wein um den halben Planeten verschifft werden muss, wenn diesem Weinstil doch auch durch Spanien und Österreich geboten wurde. Diese beiden Länder profitierten von der damaligen Geschmacks-Mode, die sich zwischenzeitlich wieder veränderte. Doch Österreich hat nach wie vor ein Imageproblem, mit dem Rotwein.

Aerni: Rotwein?

Utiger: Ja, weil man nie so recht weiss, um was es sich für einen Wein handelt. Es sind Fantasienamen und Lagenamen zugelassen, das ist irreführend.

Aerni: Man denkt ja eigentlich automatisch an den Zweigelt…

Utiger: Na ja, da denkt man schon weit. Das Imageproblem entstand, weil eben zu viel zugelassen wurde. Vor 15 Jahren – schätze ich – wurde auf Aushängeschilder gesetzt wie eben Zweigelt, Balufränkisch und St. Laurent. Und heute ist das Ursprungsgebiet wichtig, wie sie es in Frankreich und in Italien machen, was eine gewisse Heimatlosigkeit auslöste. Dazu kommt parallel eine stilistische Veränderung, zwischen Üppigkeit, Modernität und Süsse, was nur bedingt die Marke Österreich zu prägen vermag.

Aerni: Der Heurige ist in Österreich Kult, mit dem sich sogar Spielfilme und Romane beschäftigen, was in der Schweiz oder eben im Aargau nicht passiert.

Meier: Auch wir haben den Heurigen natürlich…

Aerni: Aber wir feiern ihn nicht so wie im Nachbarland.

Meier: Ja, das haben wir tatsächlich verlernt.

Aerni: Wieso haben wir diesen Zug verpasst?

Meier: Früher war das bei uns nicht anders. Der Sternen in Würenlingen war ursprünglich eine Trinklaube, war also ein Heurigen. Der achtzackige Stern im Logo bedeutet ein Plus- und Malzeichen übereinander, ein Zeichen dafür, dass man hier etwas essen und trinken kann. In Österreich hielt der Besen oder der Strauss als Symbol her, für eine sogenannte Straussenwirtschaft von Winzern und Weinbauern die saisonal und tageweise durch einen eigenen Gastbetrieb ihren selbsterzeugten Wein direkt vermarkten. Während dieser Brauch aus dem Mittelalter bis heute in Österreich aktiv ist, lösten diesen in der Schweiz Restaurants, Pizzerien, American Diners und Sushi-Restaurants ab.

Aerni: Es wurde internationaler und weniger ursprungsorientiert, die Schweizer Gastroszene?

Utiger: Im Grunde muss das ja nicht schlecht sein, aus den Küchen der Welt wählen zu können. Aber das Tragische ist, dass heute Essen und Getränke auf primitivste, einfachste und billigste Weise verhökert und konsumiert wird.

Aerni: … Primitivo?

Utiger: (lacht), dazu gibt es noch andere Geschichten, zum Teil nicht ganz seriöse…

Meier: Ja, und Zucker ist bei diesen Weinen ein grosses Thema… Aber wir haben uns vorgenommen, hier nicht andere Produzenten zu kritisieren.

Aerni: Ist es nicht legitim, ökologischen Unsinn zu kritisieren? Nun aber nochmals zu Ihrem Projekt der im Felsen eingelagerten Magnumflaschen, die unter dem Motto «Passion und Zeit» steht. Wie sind Sie zu diesem Titel gekommen.

Meier: In allem, was wir machen, muss die Tiefe, die Sorgfalt gepflegt werden. Nichts entsteht auf die Schnelle.

Aerni: Sie haben Zeit und Passion für die Herstellung aufbringen müssen, ist es aber nicht auch eine Message an unsere Gesellschaft? Sich mehr Zeit für mehr Qualität zu nehmen zum Beispiel?

Utiger: Viele haben eine Leidenschaft, aber heute leben wir häufig von Moment zu Moment.

Aerni: Also mehr von Happenings zu Happenings…

Utiger: Ja, wir sind schnelllebig unterwegs und posten auf Social Media und rennen weiter.

Meier: Das Gegenteil von «Passion und Zeit» ist eigentlich «Lust und Moment».

Utiger: Und schlicht: Wenn Sie eine Magnumflasche öffnen, brauchen Sie Zeit und Leidenschaft.

Meier: Oder auch anders gedeutet: durch unsere langjährige Arbeit und Leidenschaft ermöglichen wir dem Konsumierenden Genuss und schöne Momente…

Aerni: Zum Schluss: Was für Menschen wären diese beiden Weine, die hier nebeneinander liegen?

Meier: Der Pinot Noire wäre wohl eine Art Diva, rund, weiblich. Der Blaufränkische dagegen ist struktur- und gerbstoffbetont, er ist kräftiger im Eindruck und wäre wohl der starke Gegenpart.

Utiger: (lacht und nickt)

 


 

INFOS

Die Weine:

Kloster Sion Réserve 2013

„Evolutionäres Streben hin zum perfekten Wein“ Andreas Meier

Der Kloster Sion Réserve zählt zu den besten Pinot Noir. Die privilegierte Lage des Rebbergs, beste klimatische Bedingungen und sorgfältiges Winzerhandwerk sind Basis für diesen Wein.

 

Utiger Rappbühl Blaufränkisch 2013

„Kleinstmengen in Höchstqualität“ Markus Utiger

Blaufränkisch aus der Lage Rappbühl im österreichischen Burgenland besitzt reichlich Struktur und steht für langlebige sowie dichte Weine. Markus Utiger verbringt viel Zei am Neusiedlersee wo er gemeinsam mit René Pöckl antrat, um den besten Blaufränkisch des Landes zu produzieren.

 

Hier geht es zu weiteren Informationen und zur Bestellmöglichkeit…

 

Andreas Meier ist Inhaber des Weinguts zum Sternen und der Rebschule. Der Vater dreier Töchter und ausgebildeter Weinbauingenieur widmet sich neben der Leitung des Familienunternehmens u. a. dem Schweizer Oenologenverband, Vitaplant IG Jungreben sowie der Besserstein Wein AG, er unterrichtet für Gastrosuisse und HF Weinbauchtechniker. Politisch engagiert er sich im Aargauer Grossrat (Kantonsregierung). Seit einigen Jahren überführt er das Weingut in eine Produktionsstätte, die sich die Naturverträglichkeit und Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreibt.

Markus Utiger wuchs mitten im Rebberg im beschaulichen Zurzibiet im Kanton Aargau auf. Nach Ausbildungsstationen in der Gastronomie als Koch und Servicefachangestellter übernahm er 23 Jahre jung die Stelle als Sommelier im Designhotel Greulich in Zürich an. Dann liess er sich zum Weinakademiker ausbilden mit Wirkungsfeld in Rust am Neusiedlersee, wo er sich mit dem Österreicher Wein beschäftigte. 2008 erhielt Utiger als jüngster Schweizer Teilnehmer das Weinakademiker-Diplom. Heute arbeitet er bei der Weinhandlung Le Millésime in Vevey und baut eine Zweigstelle mit Sitz in Windisch (AG) auf.

Salomé Meier machte die Bilder, sie lebt als Kulturjournalistin, Fotografin in Zürich und rezensiert Bücher für Radio SRF2 Kultur und Literarischer Monat.

Das Gespräch fand im Stadtbistro Isebähnli in Baden (Kanton Aargau) statt.

 

 

Kennen wir sie, unsere Vögel?

Liebe Leserin, lieber Leser,

2020 sind Kurse und Exkursionen geplant, für alle, die mehr über unsere Vögel erfahren möchten.

In Muri (Aargau) zusammen mit Ruth Grünenfelder

In Erlenbach zusammen mit Iren Schürmann

In Zürich an der Klubschule Migros

Weitere individuelle Exkursionen können direkt hier per Mail gebucht werden. Das können auch gemütliche Spaziergänge am Wasser, im Wald und ja gar in der Stadt sein, denn Vögel findet man überall … noch.

Mit freundlichen Grüßen

Urs Heinz Aern

Hier geht es zum Beitrag „Luftige Migration – Oder wie es dem Menschen bald gelingen wird, auch den Zugvögeln Grenzen zu setzen“

 

Atom- und andere Energien

Kernkraftwerke oder die Atomenergie sorgen für Schlagzeilen:
Zuerst die guten: Atommeiler Philippsburg bei Karlsruhe wird Ende Jahr still gelegt und das älteste Werk der Schweiz, Mühleberg bei Bern wurde heruntergefahren. Rückbau dauert ca. 30 Jahre!
Jetzt die bedenklichen News:
Räumung der Brennstäbe von Fukushima verzögert sich wohl bis 2032. Und Leibstadt (Aargau, Schweiz) musste wegen Störung abgeschaltet werden.
Während auf der ganzen Welt noch viele Atomkraftwerke in Planung sind oder schon gebaut werden, wurde für die Endlagerung der Brennstäbe auf dem ganzen Planeten noch keine Lösung gefunden.
Nebenbei: Hätten die alten Römer schon AKWs gehabt, so säßen wir heute auf ihren Brennstäben.
Und passend zum Thema, sei noch der POLIZEIRUF 111 auf ARD empfhohlen, der sich mit der kriminellen Enerige rund um die Nuklear-Technik beschäftigt:
Für solche, die es genau und noch mehr wissen möchten, sei hier der passende Buchtipp gegönnt…
Nun wünschen wir einen lustigen Rutsch in ein fröhliches 2020!
Ihr
Urs Heinz Aerni

Egal woher

Aufgrund der Getränke-Attacke auf andersdenkende Politiker in Zürich und einer Hakenkreuz-Spray-Aktion auf einem Elsässischen Friedhof begann ich für diese Kolumne über die Bedeutung des Wortes „Dummheit“ zu recherchieren. Beim Blättern im Duden-Herkunftswörterbuch traf eine E-Mail ein, die auf einen Artikel im «Bote der Urschweiz» hinwies, der die Frage stellt, warum so viele Regionalkriminalromane von Schweizer Autorinnen und Autoren hauptsächlich in Verlagen aus Deutschland erscheinen. Angesichts dessen, dass der Schweizer Fußball durch eingewanderte Talente gross wurde, hiesige Konzerne in aller Welt das fette Geschäft machen oder gleich ins Ausland verkauft werden und nicht wenige Souvenirs mit Schweizerkreuz mit dem Zettel „Made in China“ versehen ist, schrumpft die obengenannte Thematik zu einer Nichtigkeit.

Die deutschsprachige Schweiz ist für buchproduzierende Unternehmen in derselben Sprache ein sehr kleiner Markt, jedoch bedeuten Verlage in Deutschland und auch in Österreich für eidgenössische Schreibende ein wichtiges Sprungbrett zu einem großen Publikum. Robert Walser suchte damals in Berlin Anerkennung und Erfolg, heute werden seine Bücher von Suhrkamp Berlin publiziert wie auch diejenigen von Max Frisch und Erica Pedretti. Klaus Merz ist bei Haymon Innsbruck zuhause, Markus Bundi bei Septime Wien, Christine Trüb bei Limbus Innsbruck, Felix Philipp Ingold bei Ritter in Klagenfurt, Lukas Bärfuss bei Wallstein Göttingen, Rolf Lappert bei Hanser München etc. Und Hand aufs Herz was kümmert es den Lesenden, ob ein guter deftiger Thriller der Baslerin Anja Berger bei Droemer Knaur in München erscheint, oder Krimis mit psychologischer Kunst und gesellschaftlicher Brisanz wie beispielsweise von Christine Brand bei Blanvalet in München oder von Christof Gasser bei Emons Köln rauskommen? Hauptsache, sie wiegen guten Lesestoff in den Händen, der süchtig macht. Na also, frohes und fröhliches Lesen wünsche ich Ihnen auch für das kommende Jahr.

Urs Heinz Aerni

 

Das Buch mit kurzen Texten von Urs Heinz Aerni «Lugano – Konstanz» ist soeben in der Edition Baes in Zirl (Österreich!) erschienen.

„Es braucht Mut“

Ab 14. Dezember präsentieren acht Mal- und Kunsttherapeutinnen in Weggis ihre eigene Kunst. Zu dieser Abschlussausstellung des Moduls „Künstlerische Fähigkeiten IHK“ gibt die Kurleisterin Denise Huber Auskunft. Von Urs Heinz Aerni.

Urs Heinz Aerni: Nicht wenige Stunden und Tage verbrachten hier Mal-  und Kunsttherapeutinnen,die ihre eigenen künstlerischen Talente nachspürten. Was war das Ziel dieses Moduls?

Denise Huber: Die Studierenden erhalten die Möglichkeit, verschiedenste künstlerische Techniken und Herangehensweisen kennenzulernen und auszuprobieren. Sie experimentieren mit unterschiedlichen Materialien und setzen sich vertieft mit einer Arbeit auseinander. Das Modul wird abgeschlossen mit dem Modulzertifikat Künstlerische Fähigkeiten IHK. Dieser Abschluss befähigt die Studierenden, eine eigene künstlerische Arbeit in einer selbst gewählten Technik zu entwickeln und diese zu reflektieren. Das Modulzertifikat Künstlerische Fähigkeiten IHK zählt als Teilabschluss für die Zulassung zur eidgenössisch anerkannten Höheren Fachprüfung Kunsttherrapie (HFP-KST), Fachrichtung Gestaltungs- und Maltherapie.

Aerni: Oft bestehen Hemmungen, sich ins künstlerische Gestalten zu wagen, woran könnte das liegen?

Huber: Wir Mal- und Kunsttherapeuten sind in der therapeutischen Arbeit damit beschäftigt, unterschiedliche Menschen in Prozessen mit bildnerischen Mitteln zu begleiten. Sind also in der Rolle als Therapeuten und nicht als Gestaltende. Dieser Schritt ins eigene gestalterisch-künstlerische Tun ist ein ganz anderer.

Aerni: Und gegen aussen auch ein Mittel, um sich mitteilen zu können, oder?

Huber: Künstlerisches Gestalten oder Kunst, – ist immer Kommunikation mit künstlerischen Mitteln. Es braucht neben der persönlichen, eine gesellschaftliche und universelle Dimension.

Aerni: Mit welchen Auswirkungen könnte man rechnen, bei einer Arbeit der kreativen Art?

Huber: Wenn man sich einer solchen auf ernsthafte Art und Weise stellt, kommt man auf ein Terrain, welche weitergeht, als der gute Geschmack und das bedeutet immer eine Konfrontation mit sich selbst und den gesellschaftlichen Gegebenheiten.

Aerni: Die Ausstellung präsentiert Arbeiten von Künstlerinnen aus Zürich, Basel, Aarau oder Winterthur. Wie wichtig ist das Umfeld für ein Seminar wie dieses?

Huber: Die Teilnehmerinnen des Moduls Künstlerische Fähigkeiten IHK, sind Mal- und Kunsttherapeutinnen, welche sich in diesem Jahr auf einen eigenen künstlerisch-gestalterischen Weg begeben. Das schulische Umfeld wird in der Regel als bereichernd und und „ansteckend“ empfunden. Die Zufriedenheit ist aber auch von dem abhängig, was man aus dem im Unterricht Gelernten macht. Der Anteil an Selbsterfahrungsstunden ist hoch.

Aerni: Die Objekte können recht lange hier in Weggis besichtigt werden. Wo beginnt für Sie die oder eine Kunst zu wirken im Alltagsleben?

Huber:  Eigene gestalterisch-künstlerische Bilder und Werke auszustellen ist ein grosser Schritt und der kostet Mut. Über das Zeigen, wird das was man macht, nach Aussen hin sicht- und austauschbar.

 

Info:

Abschlussausstellung des Moduls „Künstlerische Fähigkeiten IHK“ im Hotel Rigi in Weggis. Am Samstag, 14. Dezember 2019, 14:00 – 17:00 Uhr findet die Vernissage statt mit den Ausstellenden Jacqueline Aerni, Jeanine Lanbacher, Piacentina Mariano, Claudia Schweikert, Ruth Solazzo, Ursula Staub, Monika R. Wintermantel und Gerda Wüst.

Denise Huber ist Ausbildungsleiterin und Dozentin am Institut für Humanistische Kunsttherapie in Zürich und leitet das Modul Künstlerische Fähigkeiten IHK. Sie ist ausgebildete Kunsttherapeutin (ED), Fachrichtung Gestaltungs- und Maltherapie, Ausbilderin mit eidg. FA, Künstlerin bildende Kunst HF (F+F, Schule für Kunst und Design, Zürich) sowie in psychiatrischer Krankenpflege. www.kunsttherapie.ch

Dieses Interview erschien zuerst in der WOCHEN-ZEITUNG.

Denise Huber – PD
Flyer Ausstellung Weggis

Elke Heidenreich

Am Festival Sprachsalz in Hall bei Innsbruck unterhielt ich mich für DIE REDAKTION mit Elke Heidenreich über Berliner Eigenarten, Ihr Leben mit Büchern und über ein Projekt, das bei ihr momentan auf dem Tisch liegt.

Diesmal gibt es mehr zu sehen und zu hören als zu lesen. Bitte diesen Link betätigen:

Tun, was geht

Die eidgenössischen Parlamentswahlen sind vorbei und die Resultate zeigen, wie Klima und Umwelt zu Themen Nummer eins wurden und man darf gespannt sein, wie sie die neue personelle Besetzung unter der Bundeshauskuppel herausfordern werden. Und jetzt kam noch von der Schweizer Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) die Info, dass in den letzten zehn Jahren ein Drittel aller Insektenarten verschwunden sind.

An der Frankfurter Buchmesse diskutierten Expertinnen und Fachleute, was denn gegen das Artensterben und die Wetterextreme unternommen werden könne und immer wieder wird die Politik in die Pflicht genommen, was ja auch ihr Job ist, aber dann stellte der Moderator die Frage, was denn jede und jeder im Alltag für den blauen Planeten tun könne und wissen Sie was, ich kann diese Frage nicht mehr hören, deshalb liste ich nun hier ein für allemal auf, was wir als Otto-Normal-Menschen zu tun mächtig sind:

1. Den Rasen nicht mehr oder nur noch wenig mähen. 2. Automotor abstellen beim Um- und Beladen. 3. Wilder und bunter Garten wachsen lassen. 4. Nicht nur Pet, Alu und Glas aus dem Müll sortieren, sondern Plastik, und die neuen Recycling-Angebote nutzen. 5. Jahreszeitgemässer Gemüseinkauf und nur noch Produkte aus der Region verspeisen und trinken. 6. Nächtliches unnötiges Dekorationslicht löschen und alle Standby-Lämpchen an Stromschienen und Elektrogeräte ausschalten. 7. Urlaubsziele an Eisenbahnschienen bevorzugen. 8. Giftfreie Wasch- und Haushaltsputzmittel verwenden. 9. Lokal statt digital einkaufen. 10. Zuwarten mit dem Kauf des neuesten Smartphones oder Tablet. 11. Kein Deluxe-Futter für Haustiere. 12. Weniger Haustiere. 13. Weniger Babys. 14. Entsprechend Abstimmen wie zum Beispiel gegen Baueinzonungen, Pestizide und für Naturpärke. 15. Mehr Leitungswasser trinken als importiertes Mineralwasser. 16. Am Tag wandern statt in der Nacht im Wald biken. 17. Weniger große Räume bewohnen. 18. Den Laubbläser in den Elektroschrott schmeissen. 19. Beim Heimatfußballclub auf Naturrasen plädieren.

Habe ich was vergessen?

Urs Heinz Aerni

Der passende Buchtipp: „Was schulden wir künftigen Generationen? Herausforderung Zukunftsethik“ von Kirsten Meyer, Reclam Verlag

Dieser Beitrag erschien auch in der Zeitung Bündner Woche.

 

Liegt es an den langen Nächten?

Nein, es liegt nicht nur an den langen Winternächten, dass Norwegen uns in der Lesekultur was vormacht.  Laut Studien lesen die Norwegerinnen und Norwegen pro Jahr 15,5 Bücher und für weniger als 10’000 Einwohnerinnen und Einwohner steht eine Buchhandlung zur Verfügung. 100 Verlage veröffentlichen jährlich rund 5’000 Titel, davon 60 bis 70 Prozent von einheimischen Schreibenden.

Die Leselust und die Lesequalität werden ermöglicht durch eine vorbildliche staatliche Literaturförderung. Dazu gehört der Verzicht einer Mehrwertsteuer auf Bücher und Mindestabnahme-Garantien für die Verlage durch staatliche Institutionen. Das nimmt den wirtschaftlichen Druck der Verlage, die als Gegenleistung sich mehr auf Qualität konzentrieren, als ständige Kompromisse eingehen zu müssen, die die Quote fordert, und zugleich wird der Zugang zum Buch für das Publikum einfacher und günstiger. Es handelt sich um eine Art bildungstechnische Grundversorgung, so wie wir hier froh sind wenn Sender wie Deutschlandfunk oder 3sat, uns von den unsäglichen Programmen der Privaten retten. In Norwegen spielen auch die öffentlichen Bibliotheken eine immens wichtige Rolle für Rückzugsorte, die Ruhe und Geborgenheit bieten, vor allem auch für Kinder aus nicht einfachen Verhältnissen.

Wie gesagt, es liegt nicht die langen Nächte im Winter, es liegt an der wahrgenommenen politischen Verantwortung, etwas für die Bildungs- und Kulturqualität zu tun. Eine Investition in die Lebensqualität. Richtig, Norwegen ist reich, die Schweiz aber auch…

Urs Heinz Aerni

Hier kann die Buchwelt Norwegens nach der Frankfurter Buchmesse entdeckt werden,  an den Literaturtagen Zofingen vom 25. – 27. Oktober 2019 www.literaturtagezofingen.ch

Wo ist Welt?

Irgendwer meinte, dass es auffallend sei, wie viele junge Männer sich unter den Flüchtlingen aus Afrika, Afghanistan oder Syrien befänden. Aber wer denn sonst soll fliehen oder auf die Suche machen, wo Geld fürs Leben zu finden ist?

Mit siebzehn Jahren zog der Sohn eines Müllers und Kleinbauers aus Alvaneu-Bad nach Odessa, wo er eine Bäckerlehre absolvierte. Er hiess Peter Balzer, das war im Jahre 1814. Flurin Lozza verliess Marmorea um sich als Tellerwäscher in Spanien und Frankreich durchzuschlagen. Sie gehören zu den vielen jungen Männern und auch Frauen, die im 19. Jahrhundert Graubünden verliessen um im Ausland ein Auskommen als Söldner, Zuckerbäcker, Cafétiers, Ladendiener und Hausangestellte zu finden. Mir wurde zugetragen, dass der Bürgermeister von Palermo mit seinem Team zum Strand geht, so bald ein neues Flüchtlingsboot angekündigt wird, um die Menschen in Empfang zu nehmen und zu fragen, welche berufliche Erfahrungen sie mitbrächten. Je nach Antwort, organisiere er, dass sie gleich den entsprechenden Branchen zugeteilt würden. Wie gesichert diese Information ist, weiss ich nicht aber es liest sich couragiert an, nicht? So waren sicher die damals ausgewanderten Bündnerinnen und Bündner froh, auf Menschen zu treffen, die sie aufnahmen und engagierten. Basierend auf ein Zitat in einem damaligen Brief in die Heimat lautet das Buch von Donat Rischatsch „Auch hier ist Welt“. Die darin erzählten Geschichten von Menschen im Bündnerland, die das Glück und das Weite suchten, lösten die ersten Kulturtage in Lain, Muldain und Zorten aus, die vom 11. bis 13. Oktober dauern und nicht nur dokumentieren, sondern das Damalige mit dem Jetzigen vermischen, in verschiedenen Disziplinen der Kunst. Das Programm berührt alle Sinne und verführt uns mit Sicherheit zu neuen Zugängen in der Frage, was denn unsere Welt ausmache und wo sie sein könnte.

Urs Heinz Aerni

Der passende Link: https://www.kulturampass.ch

Der Beitrag erscheint auch in der Bündner Woche und auf Berglink.de