Wer soll ins Studio?

Das Fernsehen SWR plant Sondersendungen zu den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Die AfD, FDP und Linke wurden nicht eingeladen, obwohl diese Parteien ebenfalls in den Wahlkampf einsteigen. Wir fragten direkt bei SWR in Stuttgart nach. Hier lesen Sie die Antwort mit unseren Fragen, die wir dazwischen stellen.

Diese Frage schickten wir per E-Mail nach Stuttgart:

Sehr geehrte Damen und Herren, was waren Ihre Überlegungen beim Entscheid, die AfD, Linke und die FDP nicht zu den Wahlkampfsendungen einzuladen?

Die Antwort aus Stuttgart ebenfalls als E-Mail:

 

Guten Tag, Herr Aerni, haben Sie vielen Dank für Ihre Zuschrift bezüglich unserer geplanten Wahlberichterstattung im Vorfeld der Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Von Anfang an stand für den SWR die Frage im Mittelpunkt, wie wir unsere Zuschauerinnen und Zuschauer bestmöglich über die relevanten Themen und Positionen aller relevanten Parteien informieren können, um so einen entscheidenden Beitrag zur Meinungsbildung zu leisten – ein Konzept also, das unserem journalistischen Auftrag gerecht wird. Dabei muss der SWR auch juristischen Grundsätzen gerecht werden, z.B. dem der abgestuften Chancengleichheit.

SONDIERUNG: Was heißt das?

Das heißt, wir können nicht nach freiem Belieben entscheiden, welche Parteien wir in unserer Berichterstattung berücksichtigen, sondern müssen in unsere Entscheidung deren Bedeutung einbeziehen.

SONDIERUNG: Wie wird diese „Bedeutung“ gemessen?

Dabei stehen an vorderer Stelle immer die Wahlergebnisse der letzten Wahl, aber auch Faktoren wie der Organisationsgrad (Landesverbände, Mitgliederzahl etc.), Umfrageergebnisse oder die Frage, in welchen Parlamenten die Parteien bereits vertreten sind. Genau dieser Kriterienkatalog war auch bei allen vorangegangenen Wahlen entscheidend. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hatte der SWR im Sommer 2015 ein journalistisches Gesamtkonzept entwickelt und der Öffentlichkeit präsentiert.

Ein Bestandteil dieses Gesamtkonzepts war die so genannte „Elefantenrunde“ drei Tage vor dem Wahltermin. Zu dieser „Elefantenrunde“ wollte der SWR neben den Spitzenkandidaten der derzeit im Landtag vertreten Parteien auch die Spitzenkandidaten der Parteien einladen, die nach dem Gebot der abgestuften Chancengleichheit berücksichtigt werden müssen – sei es durch hohe Umfrageergebnisse, durch die Präsenz in anderen Parlamenten, die Anzahl der Parteimitglieder etc. Nach diesen Kriterien war in diesem Jahr auch die AfD zu berücksichtigen, auch wenn sie momentan nicht in den Landtagen von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz vertreten ist.

SONDIERUNG: Wir vertreten nicht die Interessen der AfD, der Linken oder der FDP aber wieso wurden diese Parteien dennoch ausgeschlossen?

Da sowohl die SPD als auch die Grünen dem SWR gegenüber definitiv ausgeschlossen haben, gemeinsam mit der AfD in jedweder Diskussionsrunde aufzutreten, mussten wir eine Neujustierung unseres Gesamtkonzeptes vornehmen.

SONDIERUNG: Könnte man dies nun nicht als „Druck von außen“ definieren?

Eine Diskussionsrunde, an der die derzeitigen Regierungsparteien nicht teilnehmen, wäre dem Informationsauftrag des SWR ebenso wenig gerecht geworden, wie eine komplette Absage der Sendung.

BERGLINK: Mit anderen Worten, der SWR ist in der Klemme? Parteien bestimmen also doch, wer was im öffentlich rechtlichen Rundfunkt zu sagen hat? Und wie sieht es aus der journalistischen Sichtweise aus?

Gleichzeitig wäre es aber journalistisch wie juristisch falsch gewesen, die AfD im Zuge der abgestuften Chancengleichheit in der Vorwahlberichterstattung nicht zu berücksichtigen.

BERGLINK: Eben. Und Gegnern kann man nur antworten, wenn man weiß, für was sie stehen?

Zum politischen Diskurs gehört auch die Auseinandersetzung mit gegensätzlichen Positionen.

BERGLINK: Also, ist es denn legitim, wenn Parteien die Besetzung im Studio vorschreiben?

Wichtig ist uns in diesem Zusammenhang zu betonen, dass der SWR zu keinem Zeitpunkt politischem Druck ausgesetzt waren, sondern eine von politischen Einflüssen völlig unabhängige Entscheidung getroffen hat.

SONDIERUNG: Nun, weiter oben haben wir jedoch gelesen, dass sich die SPD und die Grünen sich weigern mit der AfD im gleichen Studio zu stehen…

Wir haben allein entlang der gegebenen Faktenlage ein journalistisch überzeugendes sowie am Gebot der abgestuften Chancengleichheit orientiertes Angebot zu erstellen gehabt.

SONDIERUNG: Das ist nun etwas schwer zu verstehen, oder?

Vor diesem Hintergrund haben wir unser neujustiertes journalistisches Gesamtkonzept vorgestellt. Neben der umfassenden Berichterstattung in Regelsendungen und zahlreichen Sondersendungen in Hörfunk, Fernsehen und Online wird es einen großen Wahlabend drei Tage vor der Wahl in den Landesprogrammen des SWR Fernsehen geben. Am Donnerstag, 10. März 2016, sendet der SWR ab 20:15 Uhr verschiedene Gesprächssendungen sowohl mit den Parteien, die in den Landtagen vertreten sind, als auch mit den Parteien, denen Chancen zugerechnet werden, neu in die Landtage von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz einzuziehen. Bei dieser Sendung kommen folglich in Baden-Württemberg die Linke und die AfD zum Zuge, in Rheinland-Pfalz die FDP, Die Linke und die AfD. Das journalistische Gesamtkonzept bietet Wählerinnen und Wählern also einen umfassenden Überblick über alle relevanten Meinungen und Positionen im Südwesten und leistet so einen maßgeblichen Beitrag zur Meinungsbildung.

SONDIERUNG: Verstehen wir das richtig: Obwohl in beiden Bundesländern alle Parteien in den Wahlkampf steigen, werden nicht in beiden Ländern auch alle angehört werden?

Mit diesen Sondersendungen in den Landesprogrammen des SWR Fernsehen werden wir sowohl dem Gebot unserer politischen Neutralität als auch der abgestuften Chancengleichheit gerecht. Gleichzeitig sind wir davon überzeugt, dass der SWR mit diesem Konzept den Wählerinnen und Wählern drei Tage vor der Landtagswahl alle Positionen der relevanten Parteien vorstellen, diese analysieren und auch kritisch nachfragen kann. Er leistet damit einen entscheidenden Beitrag zur Meinungsbildung und erfüllt seinen öffentlich rechtlichen Informationsauftrag.

SONDIERUNG: Frage: Ist es nicht öffentlich relevant, von allen im Wahlkampf stehenden Parteien zu erfahren, was sie vertreten? Ist es nicht seltsam, dass ein Wähler in einem Bundesland nichts von einer Partei erfahren, während der Wähler im Nachbarland dies tun kann?

Dabei stellen diese Sondersendungen nur einen Teil des journalistischen Gesamtkonzepts der Berichterstattung zu den Landtagswahlen dar.

SONDIERUNG: Warum werden nun diese zur Diskussion stehenden Sondersendungen hier wieder nur als „Teil des journalistischen Gesamtkonzepts“ gesehen? Sollten nicht gerade solche Sendungen erst recht vor wichtigen Wahlen und angesichts des brisanten Tagesgeschehens dem Gesamtkonzept unterstellt werden? 

Natürlich werden wir in zahlreichen weiteren Sondersendungen und Angeboten in Hörfunk, Fernsehen und Online umfassend über die wichtigsten Themen der Landtagswahlen berichten, so dass die Wählerinnen und Wähler auf der Grundlage der SWR-Berichterstattung eine fundierte Wahlentscheidung treffen können.

SONDIERUNG: Wäre es nicht logisch, alle Spieler eines Spiels vorzustellen? Besteht nicht die Gefahr, durch Ausschluss von Meinungen, den Konsumenten zu bevormunden oder gar zu verunsichern? Kann es nicht sein, dass dadurch die Qualität der Meinungsbildung leidet, wenn der Wähler nicht die Chancen des Vergleichs bekommt? Ist es nicht der Auftrag der öffentlich rechtlichen Medien, den Gebührenzahler über alle Facetten von Meinungen im direkten Vergleich vorzustellen?

Freundliche Grüße, Südwestrundfunk, Hörer- und Zuschauerservice, 70150 Stuttgart

SONDIERUNG: Freundliche Grüße und danke für Ihre Bemühungen, Urs Heinz Aerni, SONDIERUNG.COM

 

Info: Die Kommentare und Fragen wurden in die Antwort des SWR eingefügt.

Zum Weiterlesen: Kommentar in der FAZBericht in der STUTTGARTER ZEITUNGBericht im TAGESSPIEGEL 

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SBB streicht die Minibar

Die Abschaffung der Minibar bei der SBB könnten auch andere Gründe haben. Vor kurzem kam ich mit einem Minibar-Mann ins Gespräch und er erzählte mir aus seinem Alltag: Er musste von Zürich nach Genf fahren um dort seine Wägelchen in Empfang zu nehmen damit er den Dienst antreten konnte. Oft hatte er mehrmals am Tag bis zweistündige Pausen irgendwo auf einem Bahnhof. Mehrmals kam es vor, dass er ein Wagen halb leer, also nicht mit vollem Sortiment entgegennehmen musste und so dementsprechend weniger verkaufen konnte. Er erhielt vom Arbeitgeber schon Briefe, auf denen zwar seine Adresse stand aber an einen anderen Empfänger gerichtet waren.

Könnte ein Teil der Unrentabilität durch eine ineffiziente innerbetriebliche Organisation und Struktur hausgemacht sein? Wurde einer Optimierung der Vertriebs- und Personalstruktur sowie des Sortiments vorher überhaupt eine Chance gegeben? Die Minibar gehört zu einem Gesamtkonzept des Komforts für Bahnreisende und wenn jeder Deut in sich rentieren soll, so sei doch auch gleich das Licht runtergedimmt oder ganz gelöscht, da ja eh fast jeder Fahrgast in sein Smartphone starrt. Und zum Beispiel die ÖBB? Antwort von Sonja Horner von der ÖBB: „Bei uns ist beim mobilen Bordservice keine Abschaffung oder Änderung geplant. In Österreich sind die Kunden mit dem Catering-Angebot zufrieden, wir wollen das Reisen weiterhin so komfortabel wie möglich gestalten. Wir werden das Angebot, auch für Fernzüge in die Schweiz, beibehalten. In der ersten Klasse wird das Essen direkt zum Sitzplatz gebracht.“ Das ist Reisen im 21. Jahrhundert.

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Ein weiteres Kapitel dazu:

Vor kurzem blieb ein Schnellzug von Zürich nach Locarno vor Bellinzona mitten auf der Strecke stehen. Grund: Stromausfall. Auch auf diesem Zug gab es weder ein Restaurant noch eine Minibar. Die Gäste mussten ohne Mindestverpflegung ausharren. Eine Anfrage an die SBB ergab diese Antwort, die wir nun hier mit eingefügten Kommentaren veröffentlichen:

 

Die Antwort vom Kundendienst SBB Zürich:

Sehr geehrter Herr Aerni

Besten Dank für Ihren Brief vom 8. März. Wir bedauern Ihre unglücklich verlaufene Fahrt vom 5. März nach Locarno. Wir entschuldigen uns für die entstandenen Unannehmlichkeiten.

Aerni: Sich selber entschuldigen geht übrigens, nicht, man kann aber darum bitten.

Wie Sie uns mitteilen, müsste auf Zügen mit längeren Distanzen ein Mindestangebot an Essen und Trinken vorhanden sein. Selbstverständlich würde dies von einem Teil der Kunden bestimmt geschätzt, ein solches Angebot müsste sich wirtschaftlich auch zumindest teilweise rechnen.

Aerni: Den Durst und den Hunger von Fahrgästen im stillstehenden Schnellzug auf offener Strecke zu stillen, müsste sich wirtschaftlich rechnen?

Generell erreichen die Minibars eine schlechte Wirtschaftlichkeit. Der Grund dafür bildet vor allem das immer steigende Angebot an Verkaufsständen in den Bahnhöfen, mit welchen sich die Kunden bereits vor der Reise eindecken.

Aerni: Die Minibars erreichen u. a. auch eine schlechte Wirtschaftlichkeit durch komplizierte interne Strukturen, überforderte Logistik, sich nie änderndes Sortiment und oft wegen unmotiviertes Personal, das manchmal mit der Minibar durch die Gänge rast, mit der Angst, von Bestellwilligen angesprochen zu werden. Zudem besitzen kleine Bahnhöfe nur noch Automaten oder kleine Kioske und auf den großen ist der Weg zwischen den Bahnsteigen ziemlich lange, was beim Umsteigen ein Einkauf des öfteren unmöglich macht.

Mit den Angaben im Fahrplan, ob ein Verpflegungsangebot vorhanden ist oder nicht, können sich die Reisenden auch entsprechend einrichten.

Aerni: In der Tat, in der Ahnung, dass der Zug möglicherweise wegen einer Panne lange in der Pampa stehen bleibt. Oder meinen Sie, dass wir wie zu Kriegszeiten uns vor der Fahrt kulinarisch eindecken sollten mit dem Motto: „Es kann ja alles passieren“?

Bei dem von Ihnen erwähnten IR 2417 nach Locarno ist das Minibarangebot nachfrageabhängig vorgesehen. So wird vom 1. April bis 30. Okt. jeweils freitags bis sonntags eine Minibar angeboten.

Aerni: Eine wertvolle Information, wenn man außerhalb diesen Zeiten Zug fährt oder eben damit stehen bleibt.

Wir hoffen auf Ihr Verständnis für unsere Ausführungen und danken Ihnen für die Gelegenheit unserer Stellungnahme.

Aerni: Sie dürfen weiter hoffen.

Freundliche Grüsse
Heinz Baumann
Kundendienst Region Zürich
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SBB AG
Division Personenverkehr, Kundendienst
Postfach, 3000 Bern 65, Schweiz
Telefon +41 51 222 33 22
kundendienst@sbb.ch, www.sbb.ch
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Hitler lesen?

Die kommentierte Neuausgabe von Hitlers „Mein Kampf“ sorgt für Umsatzzahlen im Buchhandel und die Frage, ob man das Buch lesen soll.

Wie kann man gegensteuern wenn die Sichtweise des Andern unbekannt ist? Deshalb ist eine Einschätzung über die Hintergründe der Hitler-Katastrophe nur möglich, wenn das Weltbild und deren Einseitigkeit dieses Mannes erkannt wird. Aber wir haben ein anderes Problem. Das Tempo und die Bildlastigkeit der aktuellen Gesellschaft fördert nicht die Geduld des differenzierten Lesens und Nachfragens um sich ein eigenes Bild machen zu wollen. Sofort und überall werden Meinungen und Kommentare gepostet, quasi aus der Hüfte geschossen. Der sachorientierte Austausch, die Absicht, das Ganze richtig verstehen zu wollen geht im Lärm der Besserwisser und Instant-Welterklärter unter. Könnte es sein, dass der bunte Peoplezirkus und die Lust an Skandalhäppchen dazu führen, dass wir wieder in die Zeiten zurückkatapultiert werden, in denen man sich nach Aufklärung sehnte?

Weitere Informationen beim Institut für Zeitgeschichte in Berlin und München, Herausgeberschaft

Krupps Katastrophe

„Krupps Katastrophe“ heißt der Roman von Ulrich Land, eine Art Kontrafaktur oder so. Der Roman verbindet interessante Fakten mit offenen Fragen zu einer historischen Anekdote. Fragen an den Schriftsteller und Hörspielautor, der aus Köln stammt und heute in Freiburg i. Breisgau lebt.

Urs Heinz Aerni: Ihr Kriminalroman dreht sich um Friedrich Alfred Krupp, dem Industriellen und Politker aus Essen, geboren 1854, gestorben 1902. Wie kamen Sie auf ihn?

Ulrich Land: Ich bin über einen ZEIT-Artikel gestolpert, der sich dem Bismarck-Zeichner Allers widmete, weil dieser als Sündenbock und Bauernopfer für den Krupp-Skandal herhalten musste.

Aerni: Der Stoff fußt zwar auf historischem Material aber Sie schmücken gerne aus…

Land: Ich schreibe historische Ereignisse für mein Leben gern fiktional weiter. Kontrafaktur, habe ich mir sagen lassen, nennt sich diese Masche. Also dann meinetwegen: Kontrafaktur! Zumal wenn ein historischer Background so viel Ungereimtheiten enthält wie der des Aufstiegs und Falls von Friedrich Alfred Krupp. Der musste einfach mal dichterisch besungen werden.

Aerni: Und, machte es Spaß?

Land: Was mich besonders an dieser Art zu schreiben reizt, ist das Verwirr-Spiel mit Fakten und Fiktion, das, wenn es gut läuft, so weit geht, dass man als Leser irgendwann nicht mehr weiß, was hier Dichtung und was Wahrheit ist, und dass man es am Ende vielleicht gar nicht mehr wissen will. »Anwalt« für dieses literarische Verfahren ist hier im Krupp-Roman der Enkel, dem Fahrenhorst die ganze Story – angeblich, versteht sich-  zutrug; im Manuskript stets eingerückt und in einer anderen Schrift gesetzt.

Aerni: Während viele andere Autorinnen und Autoren mit sich immer wiederkehrenden Ermittler-Team arbeiten, entschieden Sie sich dagegen und schicken das Geschehen in Gegenden wie Norwegen, Eifel, Island, Nordatlantik, Capri oder Ruhrgebiet. Wieso?

Land: Einer der Gründe ist, dass ich mir gern Figuren und Typen ausdenke, und es kommt mir irgendwie langweilig vor, immer denselben Gimpeln bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Außerdem kann das natürlich bei dem oben beschriebenen Verfahren nicht funktionieren, da es ja um jeweils einen anderen historischen Fall und damit um ein dezidiertes Umfeld mit ganz bestimmten Figuren geht, die ich zumeist möglichst nah an der real existierenden historischen Situation, um die es geht, anzudocken versuche. Es wird mir also auch fürderhin diesen Rechercheaufwand und die Annäherung an jeweils neue Helden kaum erspart bleiben.

Aerni: Woher kommt Ihr Faible für diese Ironie und das Morbide in Ihren Geschichten?

Land: Ich glaube, dass es zwei ganz wesentliche Triebfedern, womöglich nur diese, für das menschliche Tun und Lassen gibt: Sex und Tod. Also alles, was mit Liebe, Arbeit, Eros und Reichtum im materiellen wie ideellen Sinne zu tun hat, einerseits.

Aerni: Und anderererseits?

Land:  Andererseits alles, was mit dem destruktiven Gegenteil zu tun hat. Freud, ick hör dir trapsen. Jau, ich weiß. Aber macht ja nichts. Wo er eben Recht hat, hat er eben Recht. Aus genau dieser Spannung jedenfalls schlagen die Funken in meine Feder – um’s mit poetisch-pathetischen Girlanden zu behängen.

Aerni: Sie sind Dozent für Creative Writing-Kurse, haben Sie selber mal an so einem Kurs die Schulbank gedrückt?

Land: Nein, nie. Ich hab mal in einem Crash-Kurs das Radiomachen gelernt bzw. in dreien. Aber da ging’s nicht um das literarische Schreiben. Nein nein, alles, was ich in diesen Uni-Seminaren anbiete, hab ich mir selber aus den Fingern gesogen. Sowohl inhaltlich als auch didaktisch.

Aerni: Mit anderen Worten, keine Regeln und keine Gesetze für Schreibwillige?

Land: Bis heute weiß ich nicht wirklich, wie’s letztlich funktioniert, das kreative Schreiben, und was es im Innersten zusammenhält. Wenn ich’s wüsste, würde ich vermutlich keine Seminare mehr dazu abhalten.

Aerni: Wie hat es Sie denn erwischt, die eigene Schreiblust?

Land: Wie die allermeisten anderen wahrscheinlich auch: durch die Liebe. Durch ganz viel Selbstliebe respektive durch die Eitelkeit, was ganz anderes machen zu wollen als alle anderen. Durch Liebe zu meinem Großvater, den ich nie gekannt habe, weil er lange vor meiner Geburt gestorben ist, der aber als Enfant terrible in der Familie galt und mit dem ich mich über Jahre literarisch befasst habe, obwohl von all diesen Texten nicht eine einzige Zeile je veröffentlicht wurde. Liegt alles noch in irgendwelchen Pappschachteln. Durch Liebe zu meiner damals Festen, der ich meine allererste Story gewidmet habe. Sowohl diese Liebe als auch die Geschichte sind allerdings verschollen. Irgendwie schad‘ drum.

Ein Interview führte Urs Heinz Aerni mit Ulrich Land auch für Radio Freirad Innsbruck, das hier gehört werden kann.

Der Autor: Ulrich Land wurde 1956 in Köln geboren. Dort studierte er Germanistik, Geographie und Philosophie. Seit 1987 arbeitet er als freier Autor und schreibt Erzählungen, Reportagen, Essays, Kriminalromane, Theaterstücke und Lyrik. Mehr Informationen finden Sie per Anklick hier…

Das Buch: Ulrich Land: „Krupps Katastrophe“, Capri/Ruhrgebiets-Kriminalroman, Oktober Verlag, 284 Seiten

Wieso nicht Bremen?

Der Schweizer Kabarettist, Literat und Schauspieler Jens Nielsen mit dänischen Wurzeln pendelt zwischen Berlin und Zürich. Wir stellen ihm Fragen.

Urs Heinz Aerni: Sie lebten in Berlin um zu Schreiben … wieso nicht … zum Beispiel Bremen?

Jens Nielsen: Ich habe Angst vor Bremen. In Berlin kann ich gut arbeiten. Ich habe immer wieder viel Zeit in dieser Stadt verbracht, und nicht wenige meiner Texte sind dort entstanden oder fertig geworden. Abgesehen davon ist es auch die Großstadt an sich, die man als Schweizer Künstler regelmäßig bewohnen sollte. Wir haben keine eigene. Wenn Bellinzona fünf Millionen Einwohner hätte, würde ich ab und zu auch dorthin. Abgesehen davon, ein bis an den Rand zugebautes Tessin wäre städtebaulich zwar interessant, aber ökologisch eine Höllentat. Daher bin ich froh, dass wir keine Großstadt haben. Vielleicht werde ich aber trotzdem einmal nach Bremen fahren. Wer weiß, vielleicht für ein Antipanik-Seminar.

Aerni: Wo sehen Sie den Unterschied zwischen dem Schweizer und dem Deutschen Publikum?

Nielsen: Das deutsche Publikum ist größer. Und vor Jahren sagte mir eine Deutsche Agentin voraus, meine Programme würden vor allem dem Publikum nördlich des Weißwurst-Gürtels gefallen. Das leuchtete mir insofern ein, als ich humoristisch tatsächlich über der Gürtellinie arbeite. Inzwischen weiß ich aber, der wichtige und inspirierende Unterschied besteht zwischen einem Publikum von heute Abend und dem von gestern oder morgen. Wo ich spiele, unterliegt vor allem diesem universalen Unterschied. Immerhin, je nördlicher ein Auftritt, umso mehr kann ich von meiner Bahncard 50 profitieren.

Aerni: Das Schweizer Boulevard-Blatt BLICK bemerkte, dass Sie stets ein begeistertes Publikum hinterlassen. Machen Kritiken Presse nervös?

Nielsen: Meine Zustimmungsrate während einer Vorstellung liegt in der Tat bei 90 Prozent. Nehmen wir noch an, ich übertreibe unbewusst mit 10 Prozent zu meinen Gunsten. Das bringt mich zu einer 80/20 Rate. Diese Zahl ist möglicherweise genau, sagt aber nichts aus über die Anzahl Zuschauer. Ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass diese je auf kommerzielle Dimension anwachsen wird. Von der Kritik indessen erhoffe ich zu viel, wie wahrscheinlich viele Künstler. Ich lese eine Rezension deshalb mit aufgesetzter Nonchalance. Die bricht aber zusammen. Ist die Kritik schlecht, verdräng ich sie, oder esse die Zeitung auf, in der sie abgedruckt ist. Online geht das leider nicht mehr gut, notfalls aber schon.

Aerni: Und wenn die…

Nielsen: …ist die Kritik euphorisch, finde ich sie angemessen. Dann ruf ich jemand an und erwähne den Artikel nebenbei. Oft glaube ich aber auch, die schlechte Rezension wäre die Wahrheit. Und die gute eine Illusion oder ein Zufall. Ich erwarte nicht, dass sich der Widerspruch je auflöst.

 

Weitere Infos zu seinem letzten Buch:

Besuchen Sie die Website von Jens Nielsen…

Wissen, Kampfmittel gegen Gewalt?

Es ist wieder mal so weit. Der futuristisch anmutende ICE von Zürich nach Lausanne bleibt unter dem Metallgewölbe des Oltner Bahnhofs stehen. Da sitzen sie nun, die lärmenden Schulklassen, das Rentnerehepaar, der amerikanische Tourist und die gegenüber sitzenden jungen Damen. Die eine strickend, die andere in die Elektronik des Handys und der Kopfhörer abtauchend. Zehn Minuten … eine halbe Stunde, und das alles ohne plärrende Orientierung durch die Lautsprecher. Die Luft wird stickig, die Stimmung gereizt. Kopfschütteln, Fingertrommeln, Aufstehen und Hinsetzen kündigen aufkommende Aggressionen an. Unsicherheit entsteht durch Unwissenheit. Warum geht es nicht weiter? Was ist passiert? In diesem Moment versagt unsere Informationsgesellschaft einmal mehr. Wie viele Passagiere hätten ihr Königreich für eine Erklärung zur rechten Zeit gegeben … Können Wissen, Information oder Aufklärung aufsteigende Aggressivität dämpfen? Führt vernetztes Verstehen zu Geduld und Nachsicht? Die Meinungen gehen auseinander.  Simone de Beauvoir sagte mal: «Die Unwissenheit ist eine Situation, die den Menschen so hermetisch abschließt wie ein Gefängnis.» Die festsitzenden Zugreisenden hätten bei diesen Worten kräftig applaudiert.

Wissen ist nicht Wissen

In diesem anscheinend grundlos stehenden Zug sitzen Menschen, die vielleicht einen PC zusammensetzen, ein langes Gedicht aufsagen oder chemische Formeln erklären könnten. Doch trotz all dem hier versammelten Konzentrat an Wissen und Fähigkeiten kommt der Zug nicht ins Rollen, und das Klima wird auch nicht besser – in jeder Hinsicht. So vielfältig unsere pluralistische Gesellschaft sich präsentiert, so einfältig kann spezifisches Wissen oder fachkompetente Kenntnis in gewissen Situationen des Lebens sein. Ein Fakt, der im Alltag wie in großen Weltanschauungsfragen ersichtlich wird. Thomas Avenarius bestätigt in einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung die oft erwähnten Verdachtsmomente, dass junge Menschen in gewissen Koranschulen eher eine «Gehirnwäsche denn eine theologische Bildung» erführen. Dass diese Problematik aber nicht als islamisches Phänomen betrachtet werden darf, sondern alle Ideologien und Religionen betrifft, bestätigt Dr. Arthur Schärli, Präsident der Allgemeinen Berufsschule Zürich: «Wenn man daran denkt, was in früheren Jahrhunderten im Namen des Christentums oder auch heute noch in Nordirland – geschehen ist, dann nützt hier auch ‹vertiefte Kenntnis› nicht besonders viel.»

Der Buchautor und Professor für Geschichte und Germanistik Bernhard von Arx (1924 – 2012) aus Zürich plädierte für die Breite der Bildung: «An höheren technischen Lehranstalten kann oft nur noch von Ausbildung statt Bildung gesprochen werden. Dies als Folge des heutigen Trends, unter dem Druck der Wirtschaft genügend Fachkräfte (und eben nicht gebildete Menschen) heranzuzüchten. Das kommt davon, dass seit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert der Glaube an die unbeschränkte Machbarkeit dank Forschung immer mehr gewachsen ist. Dazu tritt die immer stärkere Spezialisierung, sodass sich etwa zwei Physiker mit derselben Grundausbildung nicht mehr ohne weiteres verstehen.»

Michael Forcher, Historiker und ehemaliger Verleger in Innsbruck, formuliert den Gedanken, wie eventuell eine «bessere Gesellschaft» als Reaktion darauf installieren könnte, «dass man die Schwächeren weniger unterdrückt, wenn man Geige spielt statt Börsenkursen nachhechelt, wenn Harmoniebedürfnis gegenüber Konkurrenzkampf aufholt».

Wissen ist Macht, Unwissen macht ohnmächtig

Auf die Weltgeschichte zurückblickend, muss die Tatsache registriert werden, wie Wissen bewusst als Manipulierinstrumentarium angewandt wurde. Bei Lichte betrachtet, dürfte man jedoch auch zur Überlegung gelangen, dass Unwissenheit dienlich für die Beeinflussung war. Gerne wird auf die Nazi-Zeit verwiesen, da ja die dominierenden Schergen nicht dumm oder ungebildet gewesen seien. Nun, waren sie wirklich gebildet? Kann man von Bildung reden, wenn mit großer Wortgewaltigkeit um sich geschlagen und eine gut durchdachte Rhetorik eingesetzt wird? Es ist keine historische Neuentdeckung, wenn beschrieben wird, wie Massen durch inszenierte Dramaturgie in alle gewünschten Richtungen bewegt worden sind. Wie verhielten sich die gebildeten Menschen, oder anders formuliert, die Menschen, die im Bilde waren? Wie viele machten sich ein kritisches Bild? Eine Frage, die nicht befriedigend zu beantworten ist. Allerdings werden in totalitären Systemen diejenigen verfolgt, die hinterfragen, die mehr wissen wollen oder zu zweifeln wagen. Wissen kann Macht generieren oder die Macht entmächtigen. Die Reformation wurde unter anderem durch die in Volkssprachen übersetzten Bibeln möglich. Das Volk begann zu lesen und zu wissen. Es begann Eigenverantwortung wahrzunehmen. Das eigene Schicksal konnte in die eigenen Händen genommen werden. Aus war es mit dem Fatalismus oder dem blinden Vertrauen gegenüber Zeitgenossen, die sich als Seelen- und Wissensverantwortliche sahen. Die daraus wiederum entstandene neue Gewalt durch Kriege, Aufstände und Revolten manifestierte erneut die Begrenztheit des Weiterdenkens. Trotzdem kann Gewalt durch Verständnis verhindert werden. Dieses Verständnis basiert auf Verstehen und Verstehen wiederum auf Wissen.

Bescheid zu wissen, ist beruhigend. Ein Aufatmen der Erleichterung geht durch die ICE-Sitzreihen, als der Schaffner mit lockerer Krawatte und gewinnendem Lächeln dann doch noch mit Red und Antwort für das zögerliche Fahrverhalten erscheint. Als die Fahrgäste zu verstehen geben, wie ärgerlich die Dreiviertelstunde mit stummen Lautsprechern war, sagt der verblüffte Mann: «Das habe ich gar nicht gewusst.»

Hoffen wir für 2016 auf fahrende Züge und auf Frieden, gestützt aufs Wissen und Verstehen.

 

Das Cover stammt von diesem Buch: „Eine Geschichte des Lesens“ von Alberto Manguel, ISBN/EAN: 9783596175154, 480 S.

Ohne Yutube keine Musik?

Urs Heinz Aerni: Sie sind Musiker, treten auf und sind kommunikativ unterwegs. Was treibt Sie im Alltag um?

Matthias Müller: Wir sind Zeugen einer 3. industriellen Revolution und merken es selber kaum.

Aerni: Wie meinen Sie das?

Müller: Ich merke, wie ich schleichend meine Angewohnheiten anpasse und Dinge selbstverständlich werden, die ich noch vor Kurzem als Spielerei abtat. Wie kann eine Gratis-Suchmaschine wie Google zu einem der größten Weltunternehmen werden, wie kann eine einfache Software wie Facebook Milliarden generieren und wie kann eine Filmdatenbank die Musikwelt umkrempeln? Letzteres nicht nur bei der Internetophilen Jugend, nein: Insbesondere die etwas angegraute sogenannte Klassik wird in ihren Grundfesten erschüttert.

Aerni: So arg?

Müller: Will ich ein Stück Musik kennenlernen, gehen alle heute auf Youtube, will ich eine Musikerin oder einen Musiker kennen lernen gibt es nur eines: Youtube. Will ich als Musiker einen überlebensnotwendige Bekanntheit erlangen, dann komme ich nicht mehr um Youtube herum. Wir leben im Zeitalter der Youtubisierung!

Aerni: Sind da Unteröne eines Kulturpessimisten herauszuhören?

Müller: Das ist weder per se weder gut noch schlecht. Spannend ist der Prozess allemal. Gelten tut auch hier: „les absents ont torts“ (auf Deutsch: „Die Abwesenden haben Unrecht“ – Red.). Wichtig ist, das Gute zu nutzen, die Gefahren zu erkennen und die Nachteile zu minimieren.

Aerni: Mit anderen Worten, Sie machen nun mit…

Müller: Ich springe nun vollends auf den Zug auf und produziere zum ersten mal Youtube-Filme in meinem Atelier damit auch Sie live Zeuge sein können, im Netz der Netze.

Lernen Sie den Musiker Matthias Müller via Links kennen:

Video of Presentation: SABRE Multi Sensor INDIEGOGO Event

background information about: SABRE-research

(pd)  Matthias Müller erhielt eine breitgefächerte Musikausbildung an der Musikakademie in Basel. Seine wichtigsten Lehrer waren Hans Rudolf Stalder und Jürg Wyttenbach. Seit 1996 lebt er in Zürich und ist Professor für Klarinette an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Er profilierte sich als vielseitiger Künstler und betätigt sich als Interpret, Komponist, Pädagoge und künstlerischer Leiter verschiedener Institutionen und Projekte.Matthias Mueller ist international als Solist und Kammermusiker tätig. Er spielte als Solist mit wichtigen Orchestern, wie dem Tonhalle Orchester Zürich, Großes Tschaikowsky Symphonie Orchester Moskau, Orchestra Sinfonica di Milano Giuseppe Verdi u.a. Er setzt sich intensiv für die Entstehung neuer Musik ein und hat in mehr als 100 Uraufführungen mitgewirkt. Am Institute for Computer Music and Sound Technology an der ZHdK betreut er das Forschungsprojekt einer Sensor Augmented Bass Clarinet, einem Instrument, das auf herkömmliche Weise spielbar ist und gleichzeitig eine Steuerung des Computers erlaubt.

Als Komponist verfolgt er die Entwicklung einer eigenständigen Ästhetik der Zweiten Moderne und strebt immer wieder den transdisziplinären Ansatz an. Neben Werken für Musiktheater und Orchester umfasst sein Schaffen viel Kammermusik und auch elektronische Musik. Er schrieb ein Lehrwerk für Klarinette und komponiert regelmäßig Stücke für Kinder.

Service Public – was ist das?

Die Griechen machen es zu wenig, und den Briten wurde es zu viel. Die einen privatisieren Dienste als Mittel gegen die Verschuldung, die anderen retten heruntergewirtschaftete Infrastrukturen durch Rückverstaatlichung wie Eisenbahnen oder Kanalisationen.
Psychiatrische Kliniken und Spitäler sollen quer durchs Land in rentable Firmen umge- wandelt werden. Welcher Service für die Gesellschaft obliegt der staatlichen Grundversorgung oder dem freien Markt mit Renditemaximierung? Vor Kurzem hörte ich auf der Post, wie ein Kunde fragte, ob man an diesem Kiosk auch einen Brief aufgeben könne.
Der Philosoph Peter Sloterdijk schrieb mal in der Zeit: «Wären Steuern, wie manche sagen, nichts anderes als der natürliche Preis des Glücks, in einem effizienten Staat unter der Herrschaft des Rechts zu leben, so brauchte man über ihre Begründung kein Wort zu verlieren.. »
Welche Dienste am Bürger und an der Bürgerin soll beim Staat bleiben und welche vertrauen wir dem freien Markt an? Wenn Post, Telefon, SRG, Energieversorgung und Bahn immer mehr die Spielregeln des Marktes übernehmen, wieso denn nicht auch die Polizei, der Justizvollzug oder die Landesverteidigung?
Oder die Feuerwehr? Wenn es brennt, rufen wir die 118 an (jetzt noch kostenfrei) und dann heißt irgendeinmal das so: «Möchten Sie das brennende Haus mit Vollbesatzung sofort gelöscht haben, dann geben Sie die Kreditkartennummer ein. Wenn nicht, dann drücken Sie auf die 4 für Aufräumarbeiten zum Weekendtarif.»
Was meinen Sie? Wie sollen wir sie definieren, die Zuordnung der Versorgungsdienste zwischen Behörde und Konzern?

Mahlzeit! Oder wenn Nebenwirkungen eine gute Sache sind.

Ob hier AKW­ oder Solarstrom durchfließt? Das fragt sich der Verfasser dieser Zeilen, während er vor seinem Computer sitzt und diese Worte schreibt. Und wo dieses Gerät herkommt, und womit und unter welchen Umständen das Gerät gebaut wurde, wagt er sich gar nicht zu fragen. Stattdessen greift er zum Weinglas und nippt am Übersee-Tropfen. Nebenwirkungen müssen mit einkalkuliert sein, wenn es um höhere und edle Ziele geht.

Durchfall, Blähungen, Magenbeschwerden, Sodbrennen oder Schmerzen im Oberbauch, Erbrechen, Übelkeit. Keuchende Atmung und Kurzatmigkeit, Schmerzen und Husten. Blut im Urin.

Das ist unter «Nebenwirkungen» zu lesen im Beipackzettel eines Medikamentes gegen Kopfschmerzen. Risiken gehören zum Willen nach Besserung. So ist das Gesetz aller Dinge inklusive Natur – auch Umwelt genannt. Tiergerechte Produktion verteuert nun mal das Biofleisch oder die Bio­Eier.

Perforation des Augapfels, Pupillenerweiterung und Herabhängen des Oberlides. Vordrängen des Augapfels mit Bewegungseinschränkung. Verzögerte Wundheilung.

Das alles muss in Kauf genommen werden, wenn eine bakterielle Augenentzündung bekämpft werden soll, so steht es geschrieben. Das nimmt man eben nicht zum Spaß auf sich. Giftfreie Kartoffeln und Karotten gibt es nun mal nicht gleich um die Ecke im Billigangebot. Auch das Angehustet-Werden, im gedrängten Stehen im Schweißdunst Deines Nächsten in der S-Bahn ist der gerechte Preis beim Verzicht auf das eigene Auto mit Sitzheizung und Lieblingsmusik. Von nichts kommt nichts!

Angstzustände, Schlaflosigkeit, Verwirrtheit, Depression, Schweißausbruch, Realitätsverlust, Persönlichkeitsstörungen, Verlust des Kurzzeitgedächtnisses und Panikattacken.

Das könnte das Rahmenprogramm sein, wenn Sie ein Medikament gegen «Angst- und Spannungszuständen» einzunehmen gedenken. Da muss man durch, oder glauben Sie, dass beim Hobeln keine Späne fallen? Ne, ne; wenn schon denn schon! Oder erwarten Sie, dass wir mit Billigflug nach Wien das Kerosin aus den Tannennadeln oder den Fluglärm wegbringen? Ja, es tut weh, der teure Inter-City-Fahrschein sowie das Freinehmen zweier zusätzlicher Arbeitstage. Man kommt nicht drum herum.

Wassersammlung im Gewebe (Oedeme), Alpträume, vermehrte Schweißproduktion, Haarausfall und Potenzstörungen.

Das alles und mehr blüht Ihnen, wenn Sie medikamentös gegen Bluthochdruck angehen möchten. Apropos blühen: Klar ist der Rasen nicht mehr so teppichmäßig, wenn Sie auf das Giftsprühen verzichten und logisch sind die Tomaten nicht mehr so formvollendet wenn Sie die Insektenvernichtungsbombe im Keller stehen lassen.

Ohnmachtsanfälle, abnormale Ejakulation (z.B. Samenerguss in die Harnblase), langandauernde, schmerzhafte Erektion ohne sexuelle Stimulation.

Solche Überraschungen liefert ein Medikament gegen «gutartige Prostatavergrößerung». Da können wir nichts dagegen tun, Naturgesetz. Das Höhere, das Langfristige, das Wichtige eben zählt. Unser blauer Planet macht uns das schon lange vor. Artensterben, Eisschmelze, Überschwemmungen, Ozonlöcher, übersäuerte Böden, Plastik im Meer und in den Hälsen von Walen, Verlehmung der Wiesenerde, Geschwüre und Verunstaltungen nach Supergaus, verstopfte Kläranlagen durch Zigarettenkippen, geschlechtslose Forellen wegen der Antibabypille, Volksaufstände mit dazugehören- den Massakern und Foltertechniken, ausgefischte Meere, sterbende Ameisen dank Laubbläser, fades Getreide durch Monokultur, Zugsverspätungen durch Suizide nach Karrieredruck mit Burnout etc.

Nebenwirkungen, alles Nebenwirkungen für eine größere Sache! Kollateralschäden für ein hehres Ziel der Erde: die Beseitigung eines Störfaktors. Nur Geduld, bald hat sie es geschafft…

Laut Beipackzettel eines Medikamentes gegen Harninkontinenz bei Tieren, hier noch eine weitere Nebenwirkung: Fehlende Fresslust.
 Kann das vielleicht … auch Menschen verabreicht werden?

Ist die Zukunft nur digital?

Sollen Autos wirklich von Computern gesteuert werden? Was filmen eigentlich Drohnen? Verändern digitale Bildtechnik unsere Wahrnehmung? Gibt es ein Leben ohne Verlinkung? Ist der Screen das Papier von Morgen? Muss das Geld neu erfunden werden? Warum brauchen Spoken-Word-Künstler kein Power Point? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigt sich das 2. Multimediafestival in Lenzerheide.

Das Institut für Multimedia Production der HTW Chur und das Hotel Schweizerhof Lenzerheide organisieren gemeinsam das zweite Multimedia Festival der Schweiz. Vom 20. – 22. November können interessierte Besucher an Referaten zu multimedialen Themen und Trends teilnehmen oder sich bei einer Lesung im Hamam so richtig entspannen.

Die zweite Austragung des Multimedia Festival findet im Hotel Schweizerhof Lenzerheide statt. Der Anlass steht unter dem Motto „Bildung als Wellness“ – Wissensvermittlung in entspannter Atmosphäre.

Am Freitag und Samstag finden jeweils ab 09.00 Uhr 15-minütige Referate zu aktuellen multimedialen Themen, Podiumsdiskussionen zum Thema Entschleunigung sowie kurze Präsentationen zu Trends aus dem Multimedia-Bereich statt.

Mit dabei sind unter anderem Alexander Lehrmann von Swisscom, welcher zum Thema „Selbstfahrendes Auto“ Einblicke gibt, Ricardo Perret von Birdviewpicture, der übers Drohnenbusiness sowie Luftaufnahmen für die Film- und Fotoindustrie berichtet sowie Martin Richi von Zaak, welcher Inputs zu Realtime 3D Communication vermittelt.

Am Samstag-Morgen ist Dr. Joël Luc Cachelin zu Gast, welcher 2015 das Buch „Offliner – Die Gegenkultur der Digitalisierung“ (Stämpfli Verlag) veröffentlicht hat. Er wird während der Podiumsdiskussion zum Thema „Entschleunigung“ Rede und Antwort stehen.

Multimedia Schaufenster, Awardverleihung und Familienprogramm

Daneben können die Besucher ganztags im „Multimedia Schaufenster“ Einblicke in die Arbeit mit Video, Fotografie und Grafik erhalten sowie nachmittags die Lesungen der zwei Spoken Word-Künstler Amina Abdulkadir und Simon Chen im Hamam besuchen.
An der Digezz-Awardverleihung vom Freitag ab 20.00 Uhr werden die besten drei Multimediaproduktionen prämiert, welche innerhalb eines Jahres von Studierenden des Bachelor-Studiengangs Multimedia Production der HTW Chur produziert wurden.

Sonntag ist Familientag: Dann wartet ab 10.00 Uhr ein Filmworkshop auf groß und klein. Die Coaches zeigen, auf was beim Drehen einer Filmsequenz zu achten ist und wie man diese schneiden muss, damit am Ende ein tolles Resultat entsteht. Die Platzzahl ist beschränkt, eine Anmeldung dafür gewünscht: info@schweizerhof-lenzerheide.ch

Lesen Sie hier das Interview mit der Zeitung BÜNDNER WOCHE…