Die Nähe hat Zukunft

Bild: Schwanzmeise von Thomas Bürli, Döttingen (Schweiz)

Auch schon aufgefallen? Wenn die Lachmöwen auf den Gestängen am Seeufer sitzen, halten sie fast perfekt den gleichen Abstand zum Nächsten ein. Wenn ein Vogel da ebenso landen will, wird etwas gekeift aber alle passen die Abstände zum Nachbarn an, so dass der Neue Platz nehmen kann. Zwischen den einzelnen Individuen könnte man fast zentimetergenau immer die gleiche Distanz messen. Ein bisschen so wie bei uns; gerne in Gesellschaft aber mit dem nötigen Abstand.

Diese Abstandsregel kann bei anderen Vögeln für bestimmte Stunden außer Kraft gesetzt werden. In der Hochsaison der Familienplanung im Frühling und Sommer schaut jede Familie, dass kein anderer zu nahekommt, auch nicht von der eigenen Art. Dann, wenn die Kleinen groß und selbstständig sind, werden die Vögel wieder gesellig und ziehen in Gruppen oder gar in Schwärmen umher, suchend nach Futter und Übernachtungsorten. Das tun Buch- und Bergfinken, die Stare, Erlenzeisige, die Rabenkrähen oder zum Beispiel die kleinen Wintergoldhähnchen und Schwanzmeisen. Diejenigen, die auf die Reise in den warmen Süden verzichten, müssen also mit der winterlichen Kälte und dem entsprechenden Nahrungsangebot klarkommen.

Die kleinen rundlichen Schwanzmeisen mit ihrem winzigen Schnabel und auffällig großem Schwanz fallen dem aufmerksamen Spaziergänger auf, wie sie als gesellige Gruppe in den Bäumen lebhaft nach Insekten, Spinnen und Larven suchen. Wie andere Kleinvögel, die den Winter hier verbringen, müssen sie tagsüber viel Energie sammeln um die nächste Nacht überleben zu können. Doch zusätzlich geht es nicht ohne Kuscheln. In kalten Winternächten können über zehn und mehr Schwanzmeisen auf einem Baumzweig, gerne eines Nadelbaumes, eng zusammenrutschen, so dass sie möglichst wenig Körperwärme verlieren. Fazit: man ist gerne zusammen aber nicht zu nah, doch wenn es drauf ankommt, dann geht’s auch anders.

Was lernen wir? Das mit dem «Komm mir nicht zu nahe oder zu persönlich» kennen wir, aber das mit dem Zusammenrücken, wenn es kalt und finster wird, müssen wir noch üben.

Urs Heinz Aerni

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Urs Heinz Aerni

Urs Heinz Aerni wirkt als freischaffender Journalist BR ZPV, Kommunikationsberater, Kulturvermittler und Vogelbeobachter. Weitere Informationen: www.ursheinzaerni.com

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