«Musik ist eine gute menschliche Investition»

Die Musiklegende Pepe Lienhard geht mit BigBand und sieben Sängerinnen und Sänger auf große Schweizer Tournee mit «Music was my firstl love». Im Interview zeigt sich dankbar, zuversichtlich obwohl ihn auch etwas wütend machen kann.

Urs Heinz Aerni: Sie gelten als eine lebende Legende der Schweizer Musikgeschichte. Ist das ein Kompliment?

Pepe Lienhard: Es ehrt mich natürlich schon, aber in der Regel gehören Legenden eher der Vergangenheit an und ich bin definitiv noch aktiv stecke voller Pläne und Tatendrang.

Aerni: Sie waren 37 Jahre Orchesterleiter von Udo Jürgens, spielten mit Stars zusammen wie Frank Sinatra, Whitney Housten oder Quincy Jones. Und auch heute stehen viele Konzerttermine an, auch in Orten wie Affoltern am Albis, Cham, Thun oder Luzern. Ganz unter uns: verspüren Sie auch mal Ermüdungserscheinungen?

Lienhard: Ehrlich gesagt stehe ich immer noch ausgesprochen gerne auf der Bühne und es ist für mich keine Belastung heute hier und morgen da zu spielen. Nach den Konzerten geht es nicht mehr auf die Gasse wir früher, das erlaubt das Alter natürlich nicht. Solange die Gesundheit mitmacht und die Leute unsere Musik hören will, mache ich mit Freude weiter.

Aerni: Sie erlebten als Musiker auch einen grossen Wandel in der Art, wie Musik konsumiert wird, von der Schallplatte bis zum digitalen Streamen. Verändert das auch unser Verhältnis zum bewussten Musikhören?

Lienhard: Ja, ich denke schon, dass sich das Musikhören wandelt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Musik auf digitalen Hörsystemen mit dem Daumen beliebig rauf und runter geschoben wird. Die jüngeren Generationen hören kaum mehr längere Musikstücke oder schauen zum Musikhören noch was anderes auf dem Handy an. Zu meinem 75. Geburtstag haben wir ein Streaming- Konzert aus dem Theater Rigiblick gemacht. Die Crew, die das Konzert technisch begleitet hat war völlig überrascht, wie viele Menschen das ganze Konzert, über eine Stunde, durchgehend geschaut haben.

Aerni: Ein Ausnahmeerlebnis also?

Lienhard: Ja, das erleben die sonst nicht so. Da wird rein und rausgezappt. Gleichzeitig gibt es ja doch auch wieder einen Trend hin zur Schallplatte, doch bleibt dies wohl eine Nische. CDs hört ja auch kaum noch wer – entsprechend haben wir unsere neue CD «Music was my first love» mit einem Download-Code versehen.

Aerni: Und, wie hören Sie?

Lienhard: Ich für mich höre nach wie vor Schallplatten und CDs. Zuhause lasse ich mich auch nicht den ganzen Tag von Musik berieseln. Ich höre und geniesse sie sehr bewusst.

Aerni: Wie oft denken Sie auch mit etwas Sehnsucht an die gute alte Zeit, wie damals mit dem Hit «Swiss Lady» oder die Tourneen mit Udo Jürgens?

Lienhard: Natürlich sind dies einmalige Erinnerungen und ich denke mit viel Freude und vor allem Dankbarkeit daran zurück. Im Sextett waren wir jung und ungebunden. Spielten elf Monate im Jahr. Ich fuhr zweimal im Jahr nach Hause und wechselte die Sommer – oder Wintergarderobe.

Aerni: Wir leben grad in einer komplizierten und unschönen Welt. Wie und wo könnten wir mit der Musik noch mehr Gutes tun?

Lienhard: Musik verbindet, tröstet, beschwingt. Sie hat in schlimmsten Zeiten stets grosse Wichtigkeit. Sie darf nie aufhören zu spielen. Das dürfen wir uns nie nehmen lassen. Wenn ich zum Beispiel höre, dass in gewissen islamischen Ländern den Mädchen das Singen verboten wird, macht mich das fassungslos und auch wütend. Wir tun gut daran, Kindern den Zugang zum gemeinsamen Musizieren zu ermöglichen. Ich glaube das ist eine sehr gute, menschliche Investition.

Aerni: Sie scheinen in allen Musiksparten zu Hause zu sein, von Schlager über Swing und Jazz bis Pop. Welchen Radiosender schalten Sie beim Autofahren ein?

Lienhard: Radio Swiss Jazz oder SRF1 – dies vor allem kurz vor Mittag, wenn es ums Essen geht!

Aerni: Zu guter Letzt: Was man einem Fischer oder einem Jäger wünscht, ist ja bekannt. Was dürfen wir Ihnen als Musiker wünschen?

Lienhard: Eine erfolgreiche Tournee wäre ganz wunderbar. Vielen Dank!

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Seit über 50 Jahre steht Pepe Lienhard auf der Bühne in vielen Musikwelten wie von Eurovisions-Songcontest bis Montreux Jazz Festival, von TV-Gala und Ländler-Juuzer. Er war 37 Jahre lang Orchesterleiter von Udo Jürgens. Solomusiker, Bandleader, Arrangeur, Talkmaster, Gastredner. Er blickt zurück auf die Zusammenarbeit mit Superstars wie Frank Sinatra, Whitney Houston, Quincy Jones. Weitere Infos zur neuen Tournee finden sich auf:

www.pepe-lienhard.ch

PS: Das Bild stammt vom Konzert in Bonstetten zu Ehren des 20jährigen Jubiläums des Kulturkellers La Marotte in Affoltern am Albis (Kanton Zürich)

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Rechtfertigung

Ein Gastbeitrag von Corina Burkhardt

Hast du dich heute schon vor dir selbst gerechtfertigt? Dich mittels Gedankenkraft davon überzeugt, dass deine Handlung sein muss, obwohl deine Wahrnehmung einen anderen Standpunkt vertritt? Sich vor dem Gegenüber glaubhaft zu rechtfertigen ist eine Kunst, sich vor sich selbst rauszureden, die Königsdisziplin. Das merke ich spätestens, wenn die Rotweinflasche mich wiederholt anlächelt und meine Gedanken dem Gesundheitsbewusstsein den Garaus machen wollen. Soll ich auf ein drittes Glas verzichten, wenn ich doch ahne, was mein Arzt dazu sagen würde? Nein. Schließlich habe ich mehrmals gehört, dass Rotwein gesund ist. Er verfügt über einen hohen Gehalt an Polyphenolen und kann sogar Krebs vorbeugen. Das wusste bereits Opa und ist deshalb auch neunzig geworden.

Wenn eigene Wahrnehmungen kollidieren, kommt es zu einem Fest der Rechtfertigungen. Da feiern Kuchenstücke und Traumkörper plötzlich im ein und demselben Raum und bringen uns buchstäblich zur Verzweiflung. Wir versuchen Umweltbewusstsein mit dem nächsten Flug und gute Vorsätze mit Faulheit zu vereinbaren, um die negativen Gefühle irgendwie abzulegen. Dafür verteidigen wir unsere Handlung, lassen uns Ausreden einfallen und lügen, dass sich die Balken biegen. Dabei endet das Rechtfertigen erst, wenn der innere Richter mit dem Hämmerchen alle Wahrnehmungen stummgeschlagen hat, die uns kein Wohlwollen versprechen. Daraufhin folgt die Handlung ‒ und was passiert danach? Ja, genau. Das Gedankenkarussell lädt auf eine nächste Runde ein. Bitte einsteigen. Denn selbst wenn eine Rechtfertigung für den Augenblick funktioniert, folgt in den meisten Fällen eine gleiche oder ähnliche Situation, in der wir erneut mit unseren Wahrnehmungen konfrontiert werden. Es kommt zu einer fortwährenden Verhandlung, bei der die immer gleichen Argumente vorgelegt und verabschiedet werden.

Es stellt sich die Frage, ob wir womöglich zu hart mit uns ins Gericht gehen. Ich glaube, das hängt von der Dissonanz ab und welche Wichtigkeit wir Wahrnehmungen zusprechen. Dabei scheint es nicht elementar, die Rechtfertigungen komplett verschwinden zu lassen. Immerhin gewähren sie uns einen Blick auf unsere Einstellungen, Wünsche und Absichten. Führen sie jedoch stets zu einem negativen Gefühlszustand, sollten wir versuchen einsichtig zu sein, bevor wir uns möglicherweise Erfolgen, Erlebnissen oder gar Zielen berauben.

Corina Burkhardt

Corina Burkhardt wurde im Jahr 1988 in der Schweizer Stadt Baden geboren. Heute lebt sie, gemeinsam mit ihrem Partner und zwei Katzen, in der Nähe ihrer Heimatstadt. Sie studiert angewandte Psychologie und schreibt nebenbei mit großer Leidenschaft Liebes- und Jugendromane. Am liebsten vereint sie beide Genres in einer Geschichte. Außerdem ist die Autorin verrückt nach Kaffee, mag es zu reisen und kann sich stundenlang in eine Serie vertiefen. Mit ihren Lesern tauscht sie sich gerne über Facebook oder Instagram aus. Weitere Informationen unter: www.corina-burkhardt.ch