Entlassungen, Liebeserklärungen, Qualifikationsgespräche, Rechtsverfahren, intime Gesundheitsprobleme ja Betreibungen waren schon Themen, die ich im Zug oder Bus live bei mir völlig fremden Menschen miterleben durfte. Es wird dergestalt laut telefoniert in der Öffentlichkeit, dass es für jeden Detektiv nur so eine Freude sein dürfte. Ist Ihnen auch aufgefallen, dass die Stimme an einem Telefon in der Regel deutlicher zu vernehmen ist als das Plaudern zweier physisch anwesenden Mitreisenden?
Einmal saß ich im Tram und zu meiner Linken neben mir, telefonierte eine junge und blonde Frau (das mit dem blond ist echt Zufall). Mit ihrem Freund. Es scheint gerade nicht so gut zu laufen mit den beiden. Sie redete laut und über alles. Es wurde immer stiller um uns herum, alle hörten mit, im Tram, als hätten sie alle ausgefahrene Antennen auf dem Kopf, voll auf Empfang. Die Frau vergaß sich und die Umwelt und redete intensiv auf ihre krisengeschüttelte Liebe am anderen Ende ein. Langsam allerdings begann es echt zu nerven, bis bei mir der Geduldsfaden riss und ich handeln musste. Ich rutschte etwas näher zu ihrem Handy hin und sagte mit tiefer Stimme: „Liebling, komm zurück ins Bett.“ Alle schwiegen, die Frau auch, sie schaute mich kurz an und sagte: „Sorry Schatz, aber nein, ich kenne den nicht, wirklich! Ich bin im Tram…“ Ein Grinsen ging durch die Reihe der Fahrgäste und zum Glück musste ich an der nächsten Haltestelle aussteigen, bevor sie zu ende telefonierte. Ob sie mit ihrem Freund heute noch zusammen ist?
Auf jeden Fall meine Damen und Herren, nehmen Sie sich in Acht, wenn sie in meiner Anwesenheit irgendwo über Dinge telefonieren, die mich nichts angehen.
Urs Heinz Aerni