Wird die Vielfalt des Marktes übersehen?

Ziemlich geschafft setzte ich mich in Leipzig in den Zug, der mich zurück in den alpinen Süden bringen wird. Aber ich bin wieder beeindruckt von den unglaublich vielen neuen Büchern, die an der Buchmesse präsentiert wurden. Im deutschsprachigen Raum erscheinen pro Jahr rund 100.000 neue Titel allein im Bereich Belletristik.

Mir wurde gesagt, dass kein anderer Sprach- raum eine so gigantische Vielfalt an Büchern aufweise, Jahr für Jahr. Ein Zeichen für Aufklärung, offene Gesellschaft und agile Intellektualität weit und breit? Das ist ein anderes Thema.

Der Anwalt für Autoren

Als Literaturagent und Vermittler erhalte ich erfreulich viel Manuskripte, die einen Verlag suchen und meine Seminare «Wie veröffentliche ich ein Buch» sind sehr gut besucht. Es wird also geschrieben, was das Zeug hält. In der Rolle des Anwalts für Autoren kritisiere ich nicht öffentlich Bücher, ich äußere mich lobend. Aber das könnte sich ändern, denn auch angesichts der Mannigfaltigkeit der aktuellen Literaturszene schrumpfen die Besprechungen in den Kultur- und Feuilletonseiten der Medien zur Einfältigkeit.

Ganz ehrlich, ich habe nichts gegen Martin Suter, Lukas Bärfuss oder Milena Moser. Sie treffen mit ihren Werken viele lesende Her- zen. Doch warum rollt jede Zeitung, jede Li- teratursendung und jedes Heft gleich den roten Teppich aus, wenn von ihnen ein neues Buch das Licht der Buchhandlung erblickt? Wieso besprechen alle Kritiker immer gleich und sofort dieselben Bestseller?

Literarische Biodiversität

Die literarische Biodiversität gehört beachtet und macht unsere Kultur reich. Wenn schon immer mehr Platz und Geld für die Kulturseiten weggespart wird, warum wird dann auf den übrig gebliebenen Zeilen nicht mehr Platz für Bücher reserviert, die nicht schon überall in aller Munde sind?

Möchten sich die Kritiker auf den Buchdeckeln der zweiten Auflage mit Zitat erwähnt sehen? Stehen die Redaktionen in irgendeiner Schuld der Verlage? Besteht zwischen den Rezensenten eine Wette beim Besprechen? Dabei gibt es eine grosse Flut an neuen Büchern, von denen gesagt werden kann, dass es auch glücklich machen kann, diese zu entdecken. Liebe Literaturkritiker, greifen Sie ein Buch aus dem Stapel und wenn wieder ein Suter herauskommen sollte, so können Sie das auch Ihren Kollegen überlassen. Sie werden überrascht sein, was es sonst noch Schönes zu lesen gibt.

Diese Kolumne erschien auch in der Zeitung BÜNDNER WOCHE

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Das war der Kulturwinter 2017 im Hotel Schweizerhof Lenzerheide

Mit der 9. BERG & BUCH endet der Kulturwinter des Hotels Schweizerhof Lenzerheide.“So bald ich endlich die Fütterungszeiten im Zoo kannte, wollten die Kinder lieber in den Europapark.“ Eine der vielen Szenen aus dem aktuellen Programm von Christoph Simon. Oder haben Sie auch schon versucht den Trennstab des Kassenfließbandes in der Migros zu kaufen? Gar nicht so einfach. Simon vergnügte das Publikum mit Wahrnehmungen eines jungen Vaters so treffend, dass das Lachen bei vielen aus einem Wiedererkennen herrührte. Falls Sie sein Programm „Zweite Chance“ noch nicht erlebt haben sollten; er ist damit auf Tour durch die Schweiz.

Die 9. BERG & BUCH mit vielen Büchern in der Lobby, einer Duo-Lesung mit Sandra Lüpkes und Jürgen Kehrer in der Gemeindebibliothek, dem Loblied auf die Literatur von Manuela Hofstätter von Lesefieber.ch und dem Kabarett mitten aus dem Leben von Christoph Simon war der Schlusspunkt des Winter-Kulturprogramms 2017 im Hotel Schweizerhof Lenzerheide.

Durch den Winter 2017 verführten Künstlerinnen, Kabarettisten, Schriftsteller, Filmer, Käser und Kartoffelbauern in andere Welten. In der Reihe „Talk am Berg“ 2017 waren diese Gäste dabei: Mona Vetsch, Marc Tschudin, Martin Bienerth, Marcel Heinrich, René Schnoz und OHNE ROLF.

Für die Frühlings- und Sommersaison stehen Exkursionen mit BirdLife auf dem Programm und ein reiches Angebot an Ausflügen in den Sommerferien. Zudem bietet MouTeenCamp Schreibworkshops mit Gabrielle Alioth, Ralf Schlatter, Ruth Grünenfelder und Arno Rautenberg. Und das Kulturprogramm für den nächsten Winter steht schon … fast.

Kann man den Beruf Literat erlernen?

Was haben Silvio Huonder, Michael Stauffer und Ruth Schweikert gemein? Richtig, sie schreiben Bücher, also Romane. Aber sie unterrichten auch am Literaturinstitut Biel „Literarisches Schreiben“. Der Sinn einer Ausbildung zum Schriftsteller ist in der Literaturszene nach wie vor umstritten. In den Vereinigten Staaten werden einige Starautoren aus entsprechenden Schulen besonders gefördert und von Verlagen und Presse gehätschelt; das lässt befürchten, dass Talente, ja Genies, die untauglich für disziplinierte Schulbetriebe sind, keine Chance mehr bekämen. Die Gefahr der Aufzucht einer Textkultur mit Normen, die dem zahlungsfreudigen Zeitgeistpublikum entsprechen, läge da auf der Hand. Anbieter und Dozenten werden dies heftig in Abrede stellen und auf die grundsätzlichen Handfertigkeiten verweisen, die ja in jeder Kunstform ebenso erlernt werden müssten wie beispielsweise in der Bildenden Kunst oder im Journalismus.

Schreiben Autorinnen und Autoren bewusst auf ein Zielpublikum hin? Weiß der Schreibende ob er einen Leser bedienen möchte,  der eher einen flüssigen Plot oder verschwurbelte Sprachkapriolen oder eine tiefenpsychologische Innenschau bevorzugt? Welche Sprache wird zur Literatur? Ist es, nebenbei gefragt, ein Unterschied, ob ich für DIE ZEIT oder ZÜRICH WEST schreibe? Müsste ich meinen Stil der Blätter anpassen?

Zurück zur hohen Literatur. Der Schriftsteller Felix Philipp Ingold bemängelte vor kurzem in der NZZ das durchschnittliche Sprachniveau des Großteils der aktuellen Literatur. Wirken die Schreibschulen wie diejenige in Biel einem solchen Mangel entgegen? Allerdings ist es erstens schwierig, eine erwünschte Qualität zu definieren; zweitens wäre auch die Diskussion darüber zu führen, ob sich zurzeit Verlegerinnen und Verleger überhaupt noch auf das dünne Eis der Neuentdeckungen wagen – ohne auf Absatzzahlen zu schielen. Womit man bei der Frage angelangt wäre, ob die Kunst vor dem Markt war oder umgekehrt.

 

Der passende Buchtipp: „Literarisches Schreiben“ von Lajos Egri, Autorenhaus Verlag, 978-3-86671-124-2