Barbara Böhi lebt in Zürich, singt auf großen und kleinen Bühnen und gibt hier Einblicke in ihre Arbeit.
Barbara Böhi, Ihre Liebe zur Musik begann mit einem Erlebnis als Kind im Zürcher Opernhaus. Was ist damals passiert?
Ich war etwa acht Jahre alt, durfte zum ersten Mal in meinem Leben in die Oper und saß in der vordersten Reihe im Parkett. Ich war überwältigt vom Gesang. Ich war so nahe an der Bühne, dass ich den Sängerinnen praktisch hinter die Schminke sehen konnte. In diesem Moment wuchs der starke Wunsch, selber auch dort zu stehen und so singen zu können. Nach 20 Jahren stand ich dann auch dort – allerdings nur im Chor –, aber für mich ein ganz besonderer Glücksmoment.
Sie geben Liederabende, singen aber auch mit Orchestern und Chören von der Tonhalle übers KKL bis auch in Kirchen auf dem Lande. Bereitet man sich auch auf die Orte vor?
In meinen nächtlichen Albträumen irre ich im wehenden Abendkleid in Ortschaften und Kirchgemeindehäusern umher und finde den Weg auf die Bühne nicht. Insofern plane ich meinen Weg immer genau ein, mit viel Zeitreserve. Dann braucht es eine Vorbereitung auf die Akustik. Je halliger die Akustik, umso wichtiger wird die Aussprache, je kleiner der Raum, umso feiner kann man singen.
Ihr Favorit?
Die absolut tollste Akustik hat das KKL; man kann einen feinen Ton singen und hat dabei das Gefühl, in der hintersten, obersten Reihe damit präsent zu sein.
Sie entdecken gern, indem Sie zum Bei- spiel auch mal in der Zürcher Zentralbibliothek auf die Suche gehen. Was muss ein Musikstück haben, damit Sie es singen?
Eine Komposition muss sein wie ein altes, staubiges Möbelstück, welches man auf dem Estrich findet. Ein Möbelstück, dem man sofort die gute Holzqualität ansieht, die schöne Form, die gute Verarbeitung. Solche Stücke bieten die Möglichkeit, sie zu restaurieren und ihnen in der heutigen Umgebung zu einer neuen, eindrücklichen Wirkung zu verhelfen.
Neue Musik gehört ebenso in Ihr Repertoire, unter anderem von George Crump, Arvo Pärt oder Luigi Nono. Es ist ein Genre, dass nicht für jedermann leicht zugänglich ist. Hätten Sie einen Tipp?
Lassen Sie sich herausfordern und überraschen. Hören Sie ohne Erwartungen und Vorurteile. Lauschen Sie mit geschlossenen Augen. Denken Sie sich Bilder, Landschaften, Gefühle dazu. So werden Sie sich durch diese Musik neue klangliche Erlebniswelten erschließen können.
Es wird sogar eigens für Sie komponiert, so von Franz Furrer-Münch. Reden Sie da dann auch mit?
Oh ja. Ich sagte Franz Furrer-Münch einmal, dass es für mich so schwierig sei, in all den Dissonanzen meine Einsatztöne zu finden. Er war so ein feiner, sensibler Mensch und so komponierte er mir beim nächsten Werk viele diskrete Töne vor meinen Einsätzen. Irgendwann merkte ich, dass er aus lauter Rücksicht zu viele solche Töne schrieb. Da fragte ich mich, ob ich mit meinem Wunsch wohl seine Kreativität unnötig eingeschränkt hatte. Form von Kultur kann man dieses Vertrauen wieder finden und vielleicht sogar die Hoffnung, dass das Gute und Schöne gewinnen wird.
In einem Interview mit dem Schweizer Fernsehen SRF gaben Sie mal Auskunft über oft gemachte Fehler beim Singen. Ich singe überhaupt nicht, möchte es aber gern mal versuchen. Wo soll ich anfangen?
Oh, wunderbar, dass Sie singen möchten! Beginnen Sie unter der Dusche! Singen Sie nach Herzenslust, wann immer es Ihnen danach ist. Wenn Sie auch ein wenig Noten lesen können oder gar Tenor sind, dann rollen Ihnen die Chöre den roten Teppich aus. Wenn die Stimme gar nicht anspringt und das für Sie ein großes Problem ist, dann kommen Sie ins SingStimmZentrum Zürich.
Ein Kompetenzzentrum für Menschen in Schlieren bei Zürich, die singen . . .
Genau, Das Zentrum habe ich mit der HNO-Ärztin und Phoniaterin Dr. med. Salome Zwicky vor vier Jahren gegründet. In unserem Zentrum werden alle Probleme rund um die Sing- und Sprechstimme umfassend abgeklärt und interdisziplinär angegangen. Als Kompetenzzentrum bieten wir rund um alle Fragen zur Singstimme Therapien, Gesangsunterricht, Weiterbildungen und Vorträge an.
Sie leben in Zürich-Altstetten, diesem Stadtteil im Westen, der sich schnell verändert. Was lieben Sie an Ihrem Stadtviertel? Oder was würden Sie gern verändert haben?
Ich liebe an diesem Stadtteil, dass er sich verändert! Genau wie in der Musik suche ich das Neue, Herausfordernde und Lebendige. Da bin ich in Altstetten genau richtig.
Weitere Informationen über Barbara Böhi und Konzertdaten: www.barbara-boehi.ch
Das Interview wurde auch veröffentlicht in der Zeitung Zürich West