In der Schweiz stimmt die Bevölkerung ab, mit einschneidender Auswirkung auf das Land in ökologischer und menschenrechtlicher Hinsicht. Soll ein zweiter Straßentunnel durch den Gotthard gebaut werden? Sollen Bürger ohne Schweizer Pass trotz langer Verwurzelung im Land bei Straftaten anders behandelt werden also Eingebürgerte? Soll das Spekulieren mit Agrarrohstoffen an den Börsen weiterhin möglich sein?
Wie gut kennen Sie die Schweiz? Wissen Sie, wie die Eidgenossen ticken? Susann Sitzler lebt in Berlin und veröffentlichte ein originelles Buch, das Fakten über die Schweiz grafisch umsetzt. Wir stellen ihr dazu Fragen.
Urs Heinz Aerni: Zusammen mit Buchgestalterinnen vermitteln Sie Infos, Fakten und Amüsantes über die Schweiz. Was hat Sie bei den Recherchen am meisten überrascht?
Susann Sitzler: Wie viele Parallelwelten und parallele Realitäten auf extrem kleinem Raum vereint. Ich habe den Eindruck, jeder Schweizer ist der Meinung, er ticke schon vollkommen anders als sein Nachbar im Haus nebendran.
Aerni: Das Buch ist nun da, man verliert sich in Daten und witzigen Bildern. Welche Sorgen machen Sie sich nun nach der Arbeit über die Schweiz?
Sitzler: Ich versuche mir ganz generell nicht zu viele Sorgen zu machen – da bin ich eine untypische Schweizerin…
Aerni: Aha…
Sitzler: Im Ernst: Dadurch, dass ich gewissermaßen einen nüchternen Blick von außen auf das Land werfen kann, sehe ich weniger Anlass zur Sorge als es vielleicht jemand kann, der mittendrin lebt. Die Schweiz ist immer noch extrem wohlhabend und in den Bereichen, die kontrollierbar sind, auch sehr sicher. Da muss man sich um andere Bevölkerungen zur Zeit wohl sehr viel mehr Sorgen machen. Beunruhigend finde ich allenfalls, dass sich viele Schweizer ihrer glücklichen Lage nicht bewusst sind und ihre diffusen Verlustängste manchmal etwas zu bereitwillig politisch instrumentalisieren lassen.
Aerni: Sie wurden in Basel geboren und leben schon lange in Berlin. Was lässt Sie in Berlin bleiben?
Sitzler: Der optimale Abstand zur Schweiz. Was das Lebensgefühl betrifft, ist Berlin sehr weit weg von der Schweiz. Tatsächlich liegt dazwischen aber nur eine Stunde Flug.
Aerni: Welche herrschenden Missverständnisse über die Schweiz müssen Sie immer wieder in Deutschland korrigieren?
Sitzler: Dass die SVP das Zeug dazu hat, aus der Schweiz einen rechtsnationalistischen Staat nach Art der Nazis zu machen.
Aerni: Und umgekehrt?
Sitzler: Dass Deutsche arrogant sind und sich immer in den Vordergrund drängen wollen. Die können nur einfach besser Hochdeutsch und trauen sich lauter zu reden. In ihrer Gesellschaft hat das auch einen Sinn: Dort muss man sich laut bemerkbar machen, wenn man gehört werden will.
Aerni: Wenn ich ein Mensch mit Ihrem Buch in den Händen malen müsste, wie soll es aussehen?
Sitzler: Mit einem Grinsen im Gesicht und einem Licht-aufgeh-Symbol über dem Kopf.