Relevante Aussagen?

Ein Schweizer, ein Italiener und ein Serbe hätten den Überfall begangen. So stehts in der Zeitung. Wie relevant sind die Aussagen für den Lesenden? Hilft es? Nützt es? Wer will es wissen? Wäre es auch interessant, zu erfahren, ob bei der Schlägerei oder beim Autounfall ein Aargauer, ein Walliser und ein Luzerner involviert sind? Wieso nicht? Bei der Massenkollision auf der A1 bei Härkingen durch Nebel waren Autolenker aus dem Thurgau, aus St. Gallen, Schaffhausen und dem Jura beteiligt. Im Zürcher Lokalblatt könnte doch darauf verwiesen werden, dass ein Wollishofer, ein Stettbacher und ein Albisrieder im Nachtclub nach Belästigungen des Personals verhaftet wurden. Und in der Quartierzeitung müsste folglich erwähnt sein, dass die prügelnden Gäste von der Hinterhofstraße, der Oberaustraße und der Mittelgasse kommen und einer sogar am Waldweg wohnt.

Urs Heinz Aerni

 

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Deutsche Wespe

Es gibt sie, die Gemeine Deutsche Wespe. Die Schweizer Zeitung Obersee Nachrichten thematisiert eine Wespenplage mit einer unterschwelligen Anspielung auf das Nachbarland Deutschland. Ist die Art der Schlagzeile und des Leads eine versteckte Form einer antideutschen Kampagne? Oder fällt das nur den Übersensiblen auf? Wir fragten bei ausgesuchten Personen nach und hier sind die ersten Rückmeldungen:

 

Das soll ernst gemeint sein? Rainer Weiss, Frankfurt

Eine Gegenschlagzeile: Tragisch: Schweizer Bakterien fressen Journalistenhirn Silvio Huonder, Berlin

Im Radio SRF1 ist ein Beitrag dazu zu hören, von Thomas C. Breuer, Rottweil

Auf wissenschaftliche Informationen zur Deutschen Wespe verweist per Link Ulrike Wörner, Esslingen

Seid froh, dass es keine deutschen Drohnen oder gar Pferde sind … Marc Berger, Gransee

Wir schicken die Deutschen Wespen in die Schweiz, um über den erhöhten Verkauf des Schweizer Produkts Antibrumm die eidgenössische Wirtschaft anzukurbeln. Dank des jetzigen Wechselkurses können wir uns in Deutschland Antibrumm nicht mehr leisten und mussten darum unsere Wespen um den Besuch im Nachbarland bitten. Stefan Weidle, Bonn

Fragen an Claude Cueni

«Giganten» heißt der aktuelle Roman des Schweizer Schriftstellers Claude Cueni, eine Geschichte über eine Rivalität zwischen zwei Meistern der Monumentalarchitektur aus dem 19. Jahrhundert. Ich stellte dem Autor Fragen zum Buch und zum Schreiben.

Herr Cueni, steht man in der Krone der Freiheitsstatue in New York oder unter dem Eiffelturm in Paris, dann liegt das Wort Gigantismus in der Tat auf der Zunge. Sie nähern sich nun in Ihrem Roman den beiden Erschaffern dieser Bauwerke. Erinnern Sie sich noch, was oder wo die Initialzündung dafür war?

CLAUDE CUENI: Als Bub hat mich Bartholdis Löwe von Belfort sehr beeindruckt, ich habe später oft sein Geburtshaus in Colmar besucht, das heute ein Museum ist, aber es gibt keine eigentliche Initialzündung, ich speichere vieles intuitiv und im Laufe der Jahre entsteht ein Stoff für einen Roman.

Während die Charakterbeschreibungen des Bildhauers Bartholdi und des Ingenieurs Eiffel der Realität näherkommen, basiert der Konflikt – unter anderem natürlich durch eine Frau – auf Fantasie. Wie kann man sich die Arbeit zwischen Wahrheit und Fiktion vorstellen? Wo lagen die Herausforderungen?

Der Roman besteht aus historisch gesicherten Fakten, die ich einer fiktiven Dramaturgie unterzogen habe. Ursprünglich schrieb ich einen klassischen historischen Roman und bewegte mich eng an der historischen Zeitschiene.

Aber Sie kamen schlussendlich davon ab.
Ja, irgendwie haben die historischen Figuren in meiner Fantasie ein Eigenleben entwickelt und diese Szenen fand ich wesentlich spannender und bewegender. Ich schrieb den Roman deshalb neu. Es ist sicher ein wesentlich besseres Buch geworden, aber immer noch auf Fakten basierend.

Historische Stoffe haben Sie als Romancier schon immer fasziniert, nun befinden wir im Roman «Giganten» in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Eigentlich die Epoche, die unsere heutige Gesellschaft maßgeblich gestaltete. Haben Ihre Recherchen neue Schlussfolgerungen zu unserer Geschichte ermöglicht?

Meine letzten Romane spielen im 17., 18. und 19. Jahrhundert. Eigentlich erlebt jede Generation Finanz- und Wirtschaftskrisen, Enteignungen, Verarmung, Kriege, Epidemien – das ist historisch betrachtet so alltäglich wie die vier Jahreszeiten. Wer nur die Gegenwart kennt, denkt, so was sei heute nicht mehr möglich. Aber diese „Katastrophen werden sich immer wieder ereignen, denn die Natur des Menschen verändert sich nicht. Er bleibt ein rücksichtsloser Jäger, der nur an seinen eigenen Nutzen denkt.

Beim Lesen wähnt man sich auch immer wieder im Alltäglichen dieser Zeit. Können Sie sich einfach aus der Gegenwart ausklinken?

Ja, das ist nie ein Problem. Kaum habe ich das erste Wort geschrieben, sitze ich in einer anderen Epoche, und selbst wenn links und rechts Bauarbeiter hämmern und bohren, nehme ich das nicht mehr wahr.

Wie machen Sie das?

Ich brauche auch keine besonderen Arbeitsbedingungen. Ich schreibe beinahe wie unter Hypnose, weil ich in Gedanken Tag und bei meinen Figuren bin.

Was kann die Belletristik besser als ein Sachbuch? Warum die Form des literarischen Erzählens?

Der historische Roman ist ein Film, der nur mit der Fantasie der Leser vollendet wird. Es entsteht ein prächtiges Gemälde, ein Unikat. Das Sachbuch hingegen besteht aus Fakten, Zahlen, Tabellen, Abbildungen: Der Inhalt ist für alle Leser gleich. Es geht um Informationen, nicht um Emotionen.

Wenn ich ein Gemälde mit einem lesenden Menschen mit Ihrem Buch in den Händen malen müsste, wie sollte das aussehen?

Ich würde das Gemälde eines Orientalisten des 19. Jahrhunderts nehmen. Wüsten, Ruinenstädte, Beduinen und im Bild sitzt ein Mensch des 21. Jahrhunderts, der durch seine zeitgenössische Kleider auffällt. Witzig wäre natürlich auch ein Leser in einem Pariser Bistro des 19. Jahrhunderts.

Herr Cueni, vielen Dank.

 

Claude Cueni wurde 1965 in Basel geboren und schrieb historische Romane, Thriller, Theaterstücke, Hörspiele und viele Drehbücher, unter anderem für TV-Serien wie «Tatort»«Eurocops»«Peter Strohm» und «Cobra 11». Sein historischer Roman «Das große Spiel», die wahre Geschichte des Papiergelderfinders John Law, belegte Platz eins der Schweizer Bestsellerliste und wurde bisher in 13 Sprachen übersetzt. Zuletzt erschien 2014 der Bestseller«Script Avenue», in dem Cueni, anders als in seinen bisherigen Büchern, nicht die Geschichten ande- rer, sondern seine eigene erzählt. Cueni ist an Leukämie erkrankt und lebt in Basel.

Die Ethik der Zeugung

Eine Beobachtung im Zug.

In Schwarz sitzen junge Leute mit allerleiVariationen von Frisuren zwischen langen Strähnen und kahl geschorenen Schädelflächen im Zugabteil. Hunde unter den Sitzen gähnen und schauen der Entleerung von Red-Bull- und Bierdosen zu, als hofften sie, das Blech würde sich in blutige Knochen verwandeln. Die Jungs reden über Sex und Zeugung: «Also ehrlich, ich möchte nicht während einer Gruppensexparty gezeugt werden.» Der andere schaut ihn ziemlich verdutzt an.

Die Ethik der Lebensentstehung; eine Frage, die sogar Zeitgenossen beschäftigt, die, was das Äußere betrifft, darauf bedacht sind, der Umwelt zu verstehen zu geben, dass sie auf gar nichts etwas geben.